Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen bei Inanspruchnahme aus Bürgschaft als Betriebsausgaben; keine Anerkennung gewerblicher Verluste ohne Gewinnerzielungsabsicht

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, dass das wirtschaftliche Belastungsrisiko bei Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft den aus einer – im Streitfall befristeten - unternehmerischen Betätigung höchstens erzielbaren Gewinn nicht übersteigen darf und deshalb die betriebliche Veranlassung einer Bürgschaft ein bestimmtes Verhältnis von Bürgschaftsvolumen und den Einnahmen aus der damit zusammenhängenden Tätigkeit erfordert.
  2. Die Inanspruchnahme aus einer betrieblich veranlassten Bürgschaft führt unabhängig davon, ob hierfür die Aufnahme eines Darlehens erforderlich war, im Zahlungsjahr zu einem Aufwand in Höhe des gezahlten Betrages.
  3. Ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid, in dem ein bestimmter Sachverhalt erkennbar in der unrichtigen Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in einem anderem Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, kann nicht nach § 174 Abs. 3 AO geändert werden, wenn das Finanzamt im Rahmen des hiergegen anhängigen, durch Rücknahme beendeten Einspruchsverfahrens klar erkennbar von seinem im ursprünglichen Steuerbescheid zum Ausdruck gekommenen Standpunkt abrückt, indem es die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen nunmehr dem Grunde nach bestreitet.
 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4; AO § 174 Abs. 3, § 351 Abs. 1, § 367 Abs. 2 S. 2

 

Streitjahr(e)

1999, 2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.12.2006; Aktenzeichen XI R 62/05)

 

Tatbestand

Der Ende 1926 geborene Kläger bezieht seit dem 1.12.1991 eine Altersrente. Im Jahr 1999 bezogen die Kläger zusammen Rentenzahlungen von ca. 20.000 DM (12.777 + 7.270 DM), Kapitaleinnahmen von ca. 9.300 DM sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von ca. 38.000 DM.

Schon vor Beginn des Rentenbezugs vermittelte der Kläger Finanzanlagen, später auch technische Erzeugnisse. Hieraus erzielte er in den Jahren 1989 und 1990 jährliche Einnahmen in Höhe von ca. 40.000 DM - 55.000 DM (Gewerbebetrieb „Handelsvertretung”); in den Folgejahren verschlechterte sich die Geschäftsentwicklung zusehends, so dass sich die Einnahmen der Jahre 1991 - 1995 auf maximal 17.058 DM beliefen. Von 1996 - 1999 wurden keine Einnahmen erzielt. Seit 1991 erklärt der Kläger aus dieser Vertretungstätigkeit ausschließlich Verluste, während er in den Jahren 1984 bis 1990 Gewinne zwischen 3.935 DM und 14.584 DM ausgewiesen hatte. Für das Jahr 2000 erklärte der Kläger keine Einkünfte aus der Handelsvertretung.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1997 ließ das Finanzamt den erklärten Verlust erstmals unberücksichtigt; angesichts der Geschäftsentwicklung ging es davon aus, dass der Kläger die fortdauernde Verlusterzielung aus einkommensteuerlich unbeachtlichen Motiven in Kauf nehme und keine Gewinnerzielungsabsicht habe.

Das Finanzamt ließ ferner Aufwendungen, die dem Kläger in Zusammenhang mit einer Bürgschaft entstanden sind, unberücksichtigt. Diese Bürgschaft hatte der Kläger im Zusammenhang mit einer 1993 begonnenen Tätigkeit für die „A” Trading GmbH” übernommen (Gewerbebetrieb „Verkaufsstände”). Grundlage dieser Tätigkeit war ein Vertrag vom 25.8.1993 über die Übernahme der Betreuung, Anwerbung und Auswahl von Außendienstmitarbeitern. Das Vertragsverhältnis wurde für zwei Jahre fest vereinbart. Gleichzeitig bestand eine dreimalige Option zur Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils ein Jahr. Die Provision des Klägers sollte 750 DM monatlich zuzüglich Umsatzsteuer betragen. Im Falle einer Erweiterung der Tätigkeit für die „A” GmbH sollte eine „entsprechende” Anpassung der Vergütung erfolgen. Mit einer nicht datierten und nicht unterschriebenen Zusatzvereinbarung wurde die monatliche Nettovergütung des Klägers ab dem 1.12.1993 auf 1.500 DM angehoben. In diesem Betrag sollten alle anfallenden Fahrzeug- und Reisekosten enthalten sein.

Voraussetzung für die Anstellung bei der „A” GmbH war gemäß Ziffer 4 des Vertrages vom 25.8.1993, dass sich der Kläger bereit erklärte, für die Laufzeit des Vertrages bei der Aufnahme eines Darlehens als Bürge mitzuwirken. Bei der Beendigung seiner Tätigkeit sollte er von seiner Bürgschaftsverpflichtung freigestellt werden. Die getroffene Vereinbarung über diese Bürgschaftsübernahme war nach Darstellung des Klägers maßgeblich auf das Betreiben seines damaligen Steuerberaters zurückzuführen, welcher die Erfolgsaussichten des Unternehmens überaus positiv bewertet habe. Allerdings habe er nicht erwähnt, dass seine Ehefrau zu 49% an der Gesellschaft beteiligt war. Hiervon habe der Kläger erst Jahre später Kenntnis erlangt.

Im August und Oktober 1993 schloss die Firma „A” Trading GmbH mit der Stadtsparkasse … zwei Darlehensverträge über je 100.000 DM ab. Die Sicherstellung der Darlehen erfolgte durch die Bürgschaftsübernahme des Klägers. Die Darlehen waren zum 30.8.1995 und zum 30.11.1995 fällig.

Im Juni 1995 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der...

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