Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldberechtigung von Spätaussiedlern

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Spätaussiedler, denen diese Eigenschaft gemäß § 15 BVFG durch das Bundesverwaltungsamt bescheinigt wird, sind als Statusdeutsche i.S.d. Art. 116 Abs. 1 Alt. 2 GG schon ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise nach Deutschland und der damit einhergehenden Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG kindergeldberechtigt (Anschluss an Urteile des Niedersächsischen FG vom 11.01.2022 - 10 K 148/21, juris, und des FG Münster 07.02.2019 - 8 K 2476/17 Kg, juris).
  2. Auf den Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 BVFG kommt es nicht an, da diese nur deklaratorische Bedeutung für die Eigenschaft als Statusdeutscher hat.
 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1; BVFG § 15; StAG § 7 Abs. 2; GG Art. 116 Abs. 1 Alt. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin für Zeiträume vor Oktober 2014 Anspruch auf Kindergeld hat.

Die Klägerin stellte am 05.08.2014 einen Antrag auf Kindergeld für ihre am 24.08.2011 geborene Tochter A . Unter „Staatsangehörigkeit” wurde in dem Kindergeldantrag sowohl für die Kindesmutter als auch für den Kindesvater „ Ausland „ eingetragen. Dem Antrag war eine Anmeldebestätigung der Stadt Z beigefügt, wonach sich die Familie i m 00 .07.2014 mit Wohnsitz in Z-Stadt angemeldet hat.

Am 12.08.2014 wurde der Sohn B geboren. Für dieses Kind stellte die Klägerin am 24.08.2014 einen weiteren Kindergeldantrag.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde die Klägerin gebeten, eine Kopie ihres Aufenthaltstitels einzureichen. Sie reichte daraufhin eine am 21.10.2014 ausgestellte Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes -BVFG- bei der Beklagten ein, worin es heißt, dass die Klägerin Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 7 Abs. 2 BVFG sei, sie die Aussiedlungsgebiete am 13.07.2014 verlassen habe und sie seit dem 13.07.2014 ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet habe. Zudem reichte die Klägerin eine am 02.10.2014 ausgestellte „Fiktionsbescheinigung” ein.

Mit Bescheid vom 31.03.2015 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin Kindergeld für die beiden Kinder fest. Es heißt in dem Bescheid wie folgt:

„1. Ihrem Antrag auf Kindergeld vom 05.08.2014 wird entsprochen.

Kindergeld wird für das Kind A , geboren am 24.08.2011, für den Zeitraum von Oktober 2014 bis einschließlich August 2029 i.H.v. 184,00 € festgesetzt.

2. Ihrem Antrag auf Kindergeld vom 05.08.2014 wird entsprochen.

Kindergeld wird für das Kind B , geboren am 12.08.2014, für den Zeitraum von Oktober 2014 bis einschließlich August 2032 i.H.v. 184,00 € festgesetzt.”

Einen Hinweis darauf, dass hinsichtlich früherer Zeiträume noch eine Entscheidung erfolgen werde, enthält der Bescheid nicht.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid Einspruch ein und beanstandete, dass erst ab Oktober 2014 und nicht schon ab August 2014 Kindergeld festgesetzt worden sei.

Die Familienkasse wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16.06.2015 ausweislich des auf der Titelseite enthaltenen Tenors „als unbegründet” zurück. Auf Seite 2 der Einspruchsentscheidung heißt es, der Einspruch sei „zulässig, sachlich jedoch nicht begründet”. Auf der nächsten, nicht nummerierten Seite der Einspruchsentscheidung heißt es sodann, dass der Einspruch mangels Beschwer als unzulässig zu verwerfen sei. Mit dem angefochtenen Bescheid sei lediglich Kindergeld ab Oktober 2014 festgesetzt worden, nicht aber eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung für frühere Zeiträume ergangen.

Zudem erließ die Familienkasse am 18.06.2015 einen weiteren Bescheid, mit dem die Anträge auf Kindergeld für beide Kinder für den Zeitraum August 2014 bis September 2014 abgelehnt wurden. Als Begründung heißt es lediglich pauschal, dass die Klägerin nicht die Voraussetzungen des § 62 EStG erfülle.

Mit Schriftsatz vom 03.07.2015 stellte die Klägerin einen isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe. Dem Prozesskostenhilfeantrag wurde mit Beschluss vom 28.08.2015 stattgegeben, soweit er die Kindergeldfestsetzung für A für die Monate Juli bis September 2014 und für B für die Monate August und September 2014 betraf. Die Klägerin - vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte - erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 03.09.2015 Klage, mit der sie die Festsetzung von Kindergeld „ für den Sohn B für die Monate Juli bis September 2014 sowie die Tochter A für die Monate August und September 2014 „ begehrte.

Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 06.10.2015 nach § 74 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und mit Beschluss vom 31.10.2022 wieder aufgenommen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Die Klägerin trägt vor, dass sie durch den Bescheid vom 31.03.2015 beschwert sei, weil dieser auch die Versagung von Kindergeld für Zeiträume vor Oktober 2014 enthalte. Sie sei schon seit ihrer Einreise im Juli 2014 kindergeldberechtigt.

Die Klägerin beantragt wörtlich (Schriftsatz vom 03.09.2015),

die Beklagte unter Abänderung des Besche...

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