Entscheidungsstichwort (Thema)

Festlegung der Höhe eines Anspruchs auf Kindergeld für vier in Polen lebende Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

Der nach deutschem Recht (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) bei Nichtbestehen eines Anspruchs auf Familienbeihilfe in Polen gegebene Kindergeldanspruch eines im Inland selbständig tätigen und dort nicht rentenversicherungspflichtigen polnischen Staatsbürgers, dessen Kinder im Herkunftsland leben, ist nicht aufgrund der Regelungen in Art. 12 Abs. 2, 76 VO 1408/71/EWG oder Art. 7 Abs. 1, 10 VO 574/72/EWG zu kürzen.

 

Normenkette

EStG §§ 62, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 66; VO Nr. 1408/71 EG Art. 1 lit.a) Ziff. ii); VO Nr. 1408/71 EG Art. 1 lit. u Ziff. ii; VO Nr. 1408/71 EG Art. 2 Abs. 1; VO Nr. 1408/71 EG Art. 4 Abs. 1 lit. h; VO Nr. 1408/71 EG Art. 12 Abs. 2; VO Nr. 1408/71 EG Art. 73; VO Nr. 1408/71 EG Art. 76 Abs. 1; VO Nr. 1408/71 EG Art. 76 Abs. 2; Anhang I Teil I Buchst. D lit. b); VO Nr. 574/72 EWG Art. 7 Abs. 1; VO Nr. 574/72 EWG Art. 10 lit. A; DAüzV 206

 

Streitjahr(e)

2005, 2006, 2007

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.08.2011; Aktenzeichen III R 36/08)

BFH (Urteil vom 04.08.2011; Aktenzeichen III R 36/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe dem Kläger für vier seiner in Polen lebenden Kinder Kindergeld zusteht.

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und wohnt seit September 2005 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist einer von zwei Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck nach § 1 des Gesellschaftsvertrages in der Erbringung von Leistungen im Bereich des Baunebengewerbes besteht. An Gewinn und Verlust der GbR ist der Kläger in Höhe seiner Gesellschafteranteile mit 50 v.H. beteiligt. Zum 12.9.2005 wurde das Gewerbe angemeldet. Ausweislich einer vorläufigen Gewinnermittlung erzielte die GbR im Jahre 2005 einen Überschuss in Höhe von 22.807,14 EUR und bis Juni 2006 einen Überschuss von 21.147,09 EUR. Der Kläger ist privat rentenversichert. Zwischen den Beteiligten besteht Übereinstimmung darin, dass der Kläger nicht in der deutschen Sozialversicherung versicherungspflichtig ist.

Am 8.2.2006 beantragte der Kläger für seine insgesamt sechs Kinder, die bei seiner Ehefrau in Polen leben, Kindergeld. Er gab in dem Antrag an, in Deutschland wegen seiner Tätigkeit in der GbR sozialversichert zu sein. Weiterhin gab er an, dass seine Ehefrau in Deutschland nicht sozialversichert sei, weil sie in Polen versichert sei. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, erhielt die Ehefrau des Klägers in Polen keine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistungen.

Wegen mangelnder Mitwirkung lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers zunächst mit Bescheid vom 23.5.2006 ab. Hiergegen erhob der Kläger am 13.6.2006 Einspruch. Er teilte u.a. mit, dass nur noch für vier Kinder Kindergeld beantragt würde. Ferner legte er das Formular E 411 (Anfrage betreffend den Anspruch auf Familienleistungen) vor. Hieraus ergibt sich, dass die Ehefrau des Klägers in Polen keine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat und auch keinen Kindergeldantrag gestellt hatte. Mit Bescheid vom 19.9.2006 hob die Beklagte die ablehnende Entscheidung vom 23.5.2005 (gemeint war 2006) auf. Mit Bescheid vom 13.2.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Kindergeld in Höhe der Hälfte der gesetzlichen Kindergeldbeträge für die vier Kinder. Zur Begründung wurde ausgeführt, zwar sei die Verordnung (EWG) 1408/71 nicht anwendbar, weil der Kläger mangels einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit in Deutschland nicht deren persönlichem Geltungsbereich unterliege. Da dem Kläger für seine Kinder dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistungen in Polen zustehen, sei ein Anspruch auf deutsches Kindergeld insgesamt ausgeschlossen. Dieses Ergebnis sei jedoch mit Sinn und Zweck der gemeinschaftlichen Konkurrenzvorschriften nicht zu vereinbaren. Es sei daher auf die allgemeine Konkurrenzvorschrift des § 12 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 DVO Nr. 574/72 zurückzugreifen. Danach führe der Ausschluss deutschen Kindergeldes dazu, dass in Deutschland das hälftige Kindergeld zu zahlen sei. Der Kläger erhob hiergegen am 14.3.2007 Einspruch, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28.3.2007 als unbegründet zurückwies. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 21 der Gerichtsakte).

Der Kläger hat am 30.4.2007 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und den Entwurf einer Klageschrift beigefügt. Er hat hierin ausgeführt, ihm stehe nach § 62 ff EStG Kindergeld für seine vier Kinder in voller Höhe zu. Seine Ehefrau könne in Polen kein Kindergeld beantragen. Die dem deutschen Kindergeld vergleichbaren polnischen Familienleistungen seien eine einkommensabhängige Leistung. Kindergeld sei nur zahlbar an solche Familien, deren monatliches Nettoeinkommen PLN 504 (105 EUR) pro Kopf nicht übersteigt. Das Einkommen des Klägers liege aber über dieser Schwelle von 630 EUR. Der Senat...

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