Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindeststeuersatz-Regel des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG verstößt gegen Art. 52 EG-Vertrag und ist deshalb nicht anwendbar

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem vorrangigen EG-Recht (Rs.C-107/94 „Asscher”, EuGHE I 1996, 3089) dürfen die inländischen Einkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen niederländischen Staatsbürgers aus selbständiger Tätigkeit unabhängig von der Erlangung von Progressionsvorteilen gegenüber einem unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht dem Mindeststeuersatz von 25% unterworfen werden.

2. Bei der Anwendung des Einkommensteuertarifs des § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG auf diese Einkünfte muss notwendigerweise auch der Grundfreibetrag berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 50 Abs. 3 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.11.2003; Aktenzeichen I R 59/02)

BFH (Urteil vom 19.11.2003; Aktenzeichen I R 59/02)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Mindeststeuersatz gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 Einkommensteuergesetz - EStG - auf die Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen aus selbstständiger Arbeit wegen Verstoßes gegen Artikel 52 des EG-Vertrages unanwendbar ist.

Der Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in den Niederlanden. Er erzielte in der Bundesrepublik Deutschland im Streitjahr 1997 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 4.972 DM. Der Beklagte legte diese Einkünfte bei der Veranlagung zu Grunde und berechnete die Einkommensteuer nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG auf 1.240 DM.

In den Niederlanden wurde der Besteuerung des Klägers ein Unternehmensgewinn aus einem niederländischen Unternehmen und der - nach niederländischen Steuerrecht ermittelte - in Deutschland erzielte Gewinnanteil zu Grunde gelegt. Die sich ergebende Einkommensteuer wurde zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung entsprechend dem Anteil der einbezogenen ausländischen Einkünfte vermindert.

Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit insgesamt

28.970 hfl

Einkünfte aus Arbeitsverhältnis Deutschland

14.940 hfl

Summe

42.810 hfl

Fahrten Wohnung Arbeitsstätte

1.538 hfl

Versicherungsaufwendungen

2.005 hfl

Summe

39.267 hfl

Berufskostenpauschale

1.294 hfl

Summe

37.943 hfl

Rente

42 hfl

38.015 hfl

Zinsen Eigentumswohnung

658 hfl

37.357 hfl

Schuldzinsen

./. 3.849 hfl

Selbstständigenfreibetrag

./. 9.825 hfl

belastbares Einkommen

23.683 hfl

Steuerfreibetrag

7.102 hfl

belastbare Summe

16.581 hfl

Steuer

837 hfl

Abzug zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

487 hfl

Steuerschuld

350 hfl

Wegen näherer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des niederländischen Steuerberaters vom 03.05.2002 sowie des Prozessbevollmächtigten vom 27.06.2002 Bezug genommen.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer entsprechend seiner Berechnung auf 1.240 DM für 1997 fest. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein, den der Beklagte durch Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückwies.

Der Kläger hat hierauf Klage erhoben. Er begehrt die Veranlagung unter Zugrundelegung des Einkommensteuertarifs nach § 32 a EStG und verweist auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - vom 27.06.1996 in der Rechtssache Asscher.

Der Kläger erklärt, er habe keinen Antrag auf Veranlagung nach § 50 Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG im Hinblick auf das Zusammentreffen seiner Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit mit seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Deutschland gestellt, da auf die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit keine Lohnsteuer angefallen sei und die Antragsveranlagung zu einer höheren, als der in dem angefochtenen Steuerbescheid festgesetzten Steuer geführt hätte.

Der Kläger weist darauf hin, dass sich selbst dann, wenn man im Rahmen einer unbeschränkten Steuerpflicht sein Gesamteinkommen der deutschen Besteuerung zu Grund legte, ein Steuersatz von nur 14,09 % ergäbe.

Kläger

Ehefrau

Gesamt

Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit

24.763 DM

0 DM

Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit

13.274 DM

23.913 DM

Arbeitnehmer-Pauschbetrag

2.000 DM

2.000 DM

36.037 DM

21.913 DM

57.950 DM

Vorsorgepauschale

./. 7.398 DM

Sonderausgaben-Pauschbetrag

./. 216 DM

zu versteuerndes Einkommen

50.336 DM

Steuer lt. Splittingtabelle

7.094 DM

Bei dieser Berechnung seien Spenden, außergewöhnliche Belastungen und die Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG für das Einfamilienhaus unberücksichtigt gelassen worden.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 1997 dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer auf 0 Euro herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass die Festsetzung der Einkommensteuer unter Anwendung von § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG der Rechtslage entspreche.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht mit einem in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen vergleichbar. Nach dem Urteil des EuGH in Sachen Schumacker sei die Situation eines Gebietsansässigen grundsätzlich eine andere als die eines Gebietsfremden. Ein Mitgliedstaat könne deshalb einem Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen versagen, die er Gebietsansässigen gewähre. Würde...

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