Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Mietzahlungen für eine eigengenutzte Wohnung als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Kaltmiete für eine angemessene Ersatzwohnung, die eine unbewohnbare fremdfinanzierte Eigentumswohnung üblicher Größe und Ausstattung ersetzt, deren Nutzung ordnungsbehördlich wegen Einsturzgefahr aufgrund für die Stpfl. zum Erwerbszeitpunkt nicht erkennbarer außergewöhnlicher Baumängel und Allmählichkeitsschäden untersagt worden ist, kann bei Fehlen realisierbarer Ersatzansprüche gegen Dritte als außergewöhnliche Belastung in Gestalt verlorener Aufwendungen abgezogen werden, solange die Miete übersteigende Zins- und Tilgungsraten für die Eigentumswohnung gezahlt werden müssen.
  2. Die Mietzahlungen beruhen in diesem Fall nicht unmittelbar auf dem Abschluss des Kaufvertrages zum Erwerb der Eigentumswohnung, sondern auf der als zwangsläufiges Ereignis zu qualifizierenden Anmietung einer Ersatzwohnung zur Befriedigung des lebensnotwendigen Wohnbedürfnisses.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1

 

Streitjahr(e)

2001, 2002

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.04.2010; Aktenzeichen VI R 62/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Mietzahlungen des Herrn A. und seiner Ehefrau für die eigengenutzte Wohnung als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen sind.

Herr A. ist in den Streitjahren 2001 und 2002 mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt worden. Er erzielte als selbstständiger Versicherungsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 23.10.1998 hat seine Ehefrau eine Eigentumswohnung in dem Objekt A-Straße 1, A-Stadt zum Preis von 198.000 DM erworben. In Ziffer III. 1 (1) des notariellen Kaufvertrages wurde vereinbart, dass der Grundbesitz verkauft wird ohne Gewähr und ohne Haftung für sichtbare oder unsichtbare Sachmängel. Die Verkäuferin hatte versichert, dass ihr verborgene, wesentliche Mängel, insbesondere so genannte Altlasten, nicht bekannt seien. Die offizielle Wohnungsübergabe erfolgte am 25.08.1999. In dem von beiden Kaufvertragsparteien unterschriebenen Übergabeprotokoll ist vermerkt, dass sich die Wohnung in vertragsgemäßem Zustand befinde und nur eine Toilette noch abgedichtet werden müsse.

Zum Haus A-Straße 1 gehörten fünf Garagen und drei Schuppen, die entsprechend der Baubeschreibung im Jahre 1975 errichtet worden waren. Die Verkäuferin und die damalige Miteigentümerin ließen im Jahre 1997 das Dach der Garagen/Schuppen neu eindecken. Im Austausch zur alten Dachkonstruktion wurde eine Eternitabdeckung gewählt. Die Arbeiten waren mit erheblichen Mängeln behaftet. Die Unterzüge waren unterdimensioniert, Sparren und Unterzüge wurden angestückelt und die Auflager mangelhaft ausgebildet. Notwendige Verankerungen fehlten oder wurden ebenfalls mangelhaft ausgeführt.

Mit Ordnungsverfügung vom 19.11.1999 stellte das Bauordnungsamt der Stadt A Einsturzgefahr fest und gab der Ehefrau auf, zu dulden, dass die Dächer (Dachkonstruktion einschließlich Eindeckung) beseitigt und die durch die Beseitigung der Dächer instabil gewordenen Garagenaußenwände auf eine Höhe von maximal ein Meter abgetragen werden. Die Garagendächer seien bereits unter Eigenlast einsturzgefährdet und würden daher einer Schneelast nicht stand halten. Da es keine Verankerung zu den Wänden gebe, bestehe die Gefahr, dass die Dächer bei Windlast abheben könnten. Sobald die Dächer entfernt seien, seien alle Wände Windlasten ausgesetzt, die sie nicht mehr aufnehmen könnten, weil sie im Bereich der Mauerkrone nicht zusammen gehalten würden.

Ebenfalls im Jahre 1997 ließen die Verkäuferin und die damaligen Miteigentümer das Satteldach des Hauses neu eindecken. Die vorhandenen Ondoline-Platten wurden durch Dachpfannen ersetzt. Das Bauamt der Stadt A-Stadt stellte eine erhebliche Einsturzgefahr fest und untersagte mit Ordnungsverfügung vom 28.02.2000 den Eheleuten das Betreten des Gebäudes und eines genau bezeichneten, an das Haus angrenzenden Gefahrenbereiches. Die derzeitige Dachlast betrüge etwa das Dreifache der zulässigen Dachlast. Außerdem sei bei einem Ortstermin festgestellt worden, dass die von der Straße aus gesehene linke Außenwand des Hauses im hinteren Bereich um ca. 20 bis 25 cm ausgebeult sei. Auch die Kopfbänder der Mittelpfette, die in der geprüften Statik nachgewiesen worden seien, seien in der Örtlichkeit nicht zu sehen gewesen. Falls diese fehlten, wovon auszugehen sei, bestehe unter Berücksichtigung der erhöhten Dachlast eine akute Einsturzgefahr.

Eine Klage der Ehefrau gegen die Verkäuferin auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der Wohnung wies das Landgericht mit Urteil vom 23.11.2000 ab. Die Ehefrau konnte nicht beweisen, dass die Verkäuferin die Mängel gekannt hat oder einen begründeten Verdacht ihr gegenüber arglistig verschwiegen hat. Die Berufung gegen dieses Urteil blieb ebenso ohne Erfolg (Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24.09.2001 9 U 270/00) wie die Revi...

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