Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilbetriebsveräußerung nur bei klarer organisatorischer Trennung (keine Ausnahme bei Internet-Dienstleistungen)

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Veräußerung eines von mehreren im Rahmen eines Einzelunternehmens entwickelten und betriebenen Internet-Diensten stellt keine Teilbetriebsveräußerung dar und unterliegt daher der Gewerbesteuer, wenn zwischen den einzelnen Internet-Diensten keine klare organisatorische Trennung (jeweils eigene Räume, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, selbständige Organisation) besteht.
  2. Das Vorliegen einer Kostenstellenrechnung kann eine gesonderte Organisation nicht ersetzen.
 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 S. 1

 

Streitjahr(e)

1997, 1998, 1999

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.12.2009; Aktenzeichen X R 4/07)

BFH (Urteil vom 09.12.2009; Aktenzeichen X R 4/07)

 

Tatbestand

Der Kläger meldete im Januar 1990 ein Gewerbe im Bereich EDV-Dienstleistungen (Kalkulation, Datenverwaltung, Textverarbeitung) an, das er 1991 um den Verkauf von Hard- und Software erweiterte. In der Folgezeit spezialisierte er sich zunehmend auf Dienstleistungsangebote im Umfeld des Internets: Seit 1994 betrieb er den Internet-Dienst „A”.de, einen regionalen Internet-Anbieter, um den Zugang zum damaligen sog. Wissenschaftsnetz zu eröffnen, der sich an wissenschaftlich orientierte Privatpersonen richtet und nicht-kommerziell ausgerichtet ist. Ab 1996 trat er unter den Firmen „B” und „C” auf und bot den Internet-Dienst „D”.Net an, der im regionalen Nahbereich Firmenkunden Internetzugänge mit zugehörigen Nebendienstleistungen (Intraneterrichtung, Domainpflege, Erarbeitung einer Internetpräsenz) anbietet. 1998 entwickelte er den Internet-Dienst „E”.de, der sich an eine Vielzahl von Nutzern im Internet richtet und ihnen die Möglichkeit einräumte, sich kostenlos mit einer eigenen Homepage zu präsentieren. Finanziert wurde dies durch die automatisierte Einblendung von Werbeflächen in die Homepages; zur Vermarktung der Werbeflächen schloss der Kläger einen Vermarktungsvertrag mit der Firma „F”. Im Jahr 1999 baute der Kläger den Internet-Dienst „G”.de auf, der den Kunden eigene Domains, Webmaster Tools (Hilfsmittel zur Gestaltung einer individuellen Webseite), einen kostenlosen Kleinanzeigenmarkt, ein Chatsystem, Foren und eine Suchmaschine zur Verfügung stellte.

Mit Vertrag vom 31. Juli 1999 verkaufte der Kläger den Internet-Dienst „E”.de an die „H”.de GmbH i. G., ein Tochterunternehmen der „H”.com; übertragen wurden alle damit zusammenhängenden materiellen und immateriellen Werte, mit Ausnahme der Verbindlichkeiten und Bargeldbestände, insbesondere der Name „E”.de und damit zusammenhängender goodwill. Der Kaufpreis betrug 6 Mio. DM, hiervon wurden 2 Mio. DM im August 1999 auf das Konto des Klägers überwiesen, 4 Mio. DM wurden Anfang März 2000 in Aktien der „H”.com entrichtet. Der Kläger hatte sich für 2 Jahre jeder konkurrierenden Tätigkeit zu enthalten und musste sich auf Dauer verpflichten, kein vergleichbares Produkt auf den Markt zu bringen. Der Käufer stellte gleichzeitig einen Service-Vertrag mit dem Kläger in Aussicht, wonach dieser für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung des Internet-Dienstes weitere 1 Mio. DM Erlöse erhalten sollte. Der Service-Vertrag wurde später jedoch nicht abgeschlossen. Außerdem kündigte „H” an, auf absehbare Zeit für eine 30 %-ige Erfolgsbeteiligung 500 TDM in ein neues Geschäftsprojekt des Klägers investieren zu wollen.

In seiner im Juli 2001 eingereichten Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 1999 machte der Kläger einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 498.116 DM geltend. Dabei behandelte er den Kaufvertrag über „E”.de gewinnneutral, indem er die im August 1999 erhaltene Zahlung unter „Erhaltene Anzahlungen” passivierte; erst im Jahr 2000 wies er einen Erlös aus. Das Finanzamt setzte den Gewerbesteuermessbetrag für 1999 zunächst auf der Grundlage der Erklärung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 DM fest.

Im 2. Halbjahr 2001 fand bei dem Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, der Verkaufserlös für „E”.de sei in voller Höhe im Jahr 1999 gewinnwirksam zu erfassen und der Umsatzsteuer zu unterwerfen; demgemäß erhöhe sich der laufende Gewinn für 1999 um 5.172.414 DM. Unter Berücksichtigung einer Gewerbesteuer-Rückstellung von 846 TDM errechnete der Betriebsprüfer einen Gewinn von ca. 3,858 Mio. DM, den er vollumfänglich als Gewerbeertrag behandelte; das Vorliegen einer Teilbetriebsveräußerung verneinte er. Zur Begründung gab er an, unter Teilbetrieb sei ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter und für sich alleine lebensfähiger Teil eines Gesamtbetriebs zu verstehen. Die einem Teilbetrieb dienenden Wirtschaftsgüter müssten in ihrer Zusammenfassung einer Betätigung dienen, die sich im Rahmen des Gesamtunternehmens von der übrigen Tätigkeit des Veräußerers deutlich abhebe. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sei im Einzelfall nach ...

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