Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines polnischen Staatsbürgers bei Tätigkeit als selbständiger Handwerker im Inland - Anspruchsausschluss bei Mitgliedschaft in der polnischen Sozialversicherung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Anspruch eines polnischen Staatsbürgers, der in Deutschland als selbständiger Putzer und Fliesenleger tätig ist, auf deutsches Kindergeld für seine in Polen lebenden Kinder wird durch das europäische Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen, wenn er als selbständiger Landwirt in der polnischen Sozialversicherung für Landwirte sozialversichert ist, keine Beiträge in die deutsche Sozialversicherung entrichtet und deshalb ausschließlich den Rechtsvorschriften des polnischen Sozialversicherungsrechts unterliegt.
  2. Deutsches Kindergeldrecht ist mangels eines Anwendungsbefehls zugunsten des nationalen Rechts in §§ 62 ff. EStG nicht anwendbar, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
 

Normenkette

EStG § 62; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 1 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. b

 

Streitjahr(e)

2004, 2005, 2006, 2007, 2008

 

Tatbestand

Der Kläger, ein polnischer Staatsbürger, beantragte erstmals im April 2008 bei der Beklagten –”..."– die Gewährung von Kindergeld für seine Töchter „B” (geboren im „...” 1983), „P” (geboren im „...” 1985), „L” (geboren im „...” 1989), „A” (geboren im „...” 1996) und „X” (geboren im „...” 1999). Die Kinder leben zusammen mit ihrer Mutter am Wohnsitz der Familie in „L-Stadt” (Polen). Der Kläger legte eine Meldebestätigung der Stadt „E-Stadt” vor, wonach er sich am 05.07.2004 zum 01.06.2004 unter der Adresse „G-Straße 1” in „E-Stadt” angemeldet hatte. Außerdem ergab sich aus den vorgelegten Formularen E 401, E 402 und E 411 (mit Anlagen), dass der Kläger und seine Ehefrau in der polnischen landwirtschaftlichen Sozialversicherung „...” versichert sind und dass die Ehefrau für den Zeitraum September 2005 bis Dezember 2007 Kindergeld für die Töchter „L”, „A” und „X” sowie Behindertengeld für „X” erhalten hatte. Der Kläger erklärte, er sei in Deutschland als selbständiger Putzer und Fliesenleger tätig; seit März 2005 hatte er –ausweislich des vorgelegten Mietvertrags eine möblierte 1-Zimmer Wohnung in „E-Stadt”, „B-Straße 2”, angemietet. Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag ab, weil der Kläger trotz der Tätigkeit in Deutschland durchgehend dem polnischen Sozialversicherungssystem unterliege und für ihn nach überstaatlichen Rechtsvorschriften ausschließlich Ansprüche auf Familienleistungen nach polnischem Recht bestünden (Bescheid vom 10.06.2008).

Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Zur Begründung trug er vor, er lebe seit Jahren legal in Deutschland und sei hier an einer GbR, die Handwerksdienstleistungen anbiete, als Gesellschafter (zur Hälfte) beteiligt. Für seine Kinder, die in Polen lebten, erhalte er keine Leistungen vom polnischen Staat oder von einer polnischen Sozialversicherung. Somit stehe ihm nach den §§ 62 ff des EinkommensteuergesetzesEStG deutsches Kindergeld zu. Auf seine Zugehörigkeit zum polnischen Sozialversicherungssystem komme es nicht an.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Familienkasse führte aus, der Kläger unterliege durchgehend dem polnischen Sozialversicherungssystem, so dass für ihn gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (konsolidierte Fassung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 28 vom 30.01.1997, S. 1) im Folgenden: VO Nr. 1408/71 ausschließlich die polnischen Rechtsvorschriften anzuwenden seien. (Einspruchsentscheidung vom 07.10.2008).

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger ist der Ansicht, seine Mitgliedschaft im polnischen Sozialversicherungssystem stehe dem Anspruch auf deutsches Kindergeld nicht entgegen. Ein Anspruch auf polnisches Kindergeld habe nicht bestanden, weil er (der Kläger) die einschlägigen Einkommensgrenzen überschritten habe. Polnisches Kindergeld sei auch nicht gewährt worden. Damit greife § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht ein; der deutsche Kindergeldanspruch werde nicht ausgeschlossen. Zwischenzeitlich ging die Familienkasse im Oktober 2009 der Frage nach, ob die Ehefrau des Klägers für die Kinder polnische Familienleistungen bezogen habe bzw. noch beziehe, und wandte sich an die zuständige polnische Behörde (Regionales Zentrum für Sozialpolitik in „U-Stadt”). Diese teilte daraufhin mit, die Ehefrau des Klägers habe mit Schreiben vom 23.11.2009 auf das Kindergeld verzichtet und keine Zustimmung zur Bestätigung der Formulare (E 411) gegeben.

Der Kläger beantragt,

die Familienkasse unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 10.06.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.10.2008 zu verpflichten, ihm Kindergeld für seine 5 Kinder ab Juni 2004 bis Oktober 2008 in voller gesetzlicher Höhe zu gewähren;

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