vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufigkeitsvermerk i. S. des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zulässigkeit einer Aussetzung der Steuerfeststellung aufgrund eines die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht betreffenden Vorläufigkeitsvermerks i. S. des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO (hier: betr. die Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 5b EStG) erfordert weder ein besonderes berechtigtes Aussetzungsinteresse noch das zusätzliche Bestehen erheblicher tatsächlicher Ungewissheiten.

 

Normenkette

AO §§ 129, 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 4, Abs. 2 S. 2, § 181 Abs. 1 S. 1; EStG § 4 Abs. 5b

 

Streitjahr(e)

2010, 2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.11.2023; Aktenzeichen IV R 13/21)

 

Tatbestand

Streitig sind die Wirksamkeit der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 und 2011 sowie der Umfang der Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

Der Kläger und H.…, der Beigeladene, waren an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts „... GbR“ (im Folgenden: GbR) je zur Hälfte beteiligt. Die GbR wurde am 01.01.2010 gegründet und mit dem Austritt des vorletzten Gesellschafters, des Beigeladenen, zum 31.03.2015 und Anwachsung des Anteils am Gesamthandsvermögen bei dem übernehmenden Gesellschafter, dem Kläger, beendet. Die GbR erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die GbR reichte die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für 2010 am 05.12.2011 beim Finanzamt X-Stadt ein. In der Gewerbesteuererklärung für 2010 wurde ein Gewinn i.H.v. 556.144,00 € angegeben, in der Feststellungserklärung ein um die Gewerbesteuer für 2010 (81.866,00 €) reduzierter Gewinn i.H.v. 474.278,07 €. Infolge des Sitzwechsels der GbR wurde das beklagte Finanzamt zuständig. Dieses stellte den Gewinn aus Gewerbebetrieb für 2010 im Wesentlichen erklärungsgemäß (472.843,44 €) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO fest (Bescheid vom 09.08.2012). In der Folgezeit wurde der Feststellungsbescheid antragsgemäß mit Bescheid vom 24.08.2012 geändert. Der Gewinn wurde auf 473.752,51 € erhöht. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für 2011 ging am 05.09.2012 beim Beklagten ein. Hierin wurde ein Gewinn i.H.v. 726.758,92 € erklärt, in der Gewerbesteuererklärung ein Gewinn i.H.v. 855.860,00 €. Die Abweichung (129.101,08 €) fiel i.H.v. 128.018,00 € auf die Gewerbesteuer für 2011. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 vom 01.03.2013 erging ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und enthielt den folgenden Vorläufigkeitsvermerk:

„Der Bescheid ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenen Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5b EStG).

Die Vorläufigkeitserklärung erfasst sowohl die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind, als auch den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht oder der Bundesfinanzhof die streitige verfassungsrechtliche Frage durch verfassungskonforme Auslegung der angeführten gesetzlichen Vorschriften entscheidet“.

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Urteil vom 16.01.2014 I R 21/12 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2014, 531), dass sich die durch das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5b EStG 2002 i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 bewirkte Beeinträchtigung des objektiven Nettoprinzips sachlich hinreichend begründen lässt und nicht gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit verstößt. Gegen dieses Urteil wurde Verfassungsbeschwerde erhoben.

Mit Schreiben vom 06.05.2015 teilte die Prozessbevollmächtige „namens und im Auftrag (der) o. g. Mandanten“ („... GbR“) dem Beklagten mit, dass der Gesellschafter H zum 31.03.2015 aus der GbR ausgeschieden sei. Sein Anteil sei dem Kläger angewachsen, der das Einzelunternehmen seit dem 01.04.2015 fortführe. Kopien der Gewerbean- und -abmeldungen waren beigefügt.

Mit Bescheiden vom 17.06.2015, die an die Prozessbevollmächtigte als Empfangsbevollmächtigte für die GbR bekannt gegeben wurden, hob der Beklagte für 2010 und 2011 den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO auf. Für 2010 wurde zusätzlich der folgende Vorläufigkeitsvermerk aufgenommen:

„Der Bescheid ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenen Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5b EStG)“.

Für 2011 blieb der bisherige Vorläufigkeitsvermerk bestehen. Die Bescheide enthielten den Zusatz, dass sie an die Prozess- und Empfangsbevollmächtigte mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten ergingen.

Die gegen das BFH-Urteil vom 16.01.2014 I R 21/12 gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen...

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