Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn bei Verkauf einer Allgemeinarztpraxis und Neueröffnung einer Praxis für Naturheilkunde in derselben Gemeinde

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Betrieb einer Arztpraxis, die sich besonderer Behandlungsmethoden (Naturheilverfahren, chinesische Medizin u.ä.) bedient, stellt keine wesensmäßig unterschiedliche Tätigkeit im Verhältnis zu einer ansonsten üblichen Allgemeinarztpraxis dar, so dass kein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn vorliegt, wenn eine bisher hauptsächlich Kassenpatienten behandelnde Allgemeinmedizinerin ihre Praxis verkauft und innerhalb von drei Monaten am selben Ort eine Praxis für Naturheilkunde eröffnet hat.

 

Normenkette

EStG 1990 § 16 Abs. 3-4, § 18 Abs. 3, § 34 Abs. 1-2

 

Tenor

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wird seit ihrem Umzug im Jahre 1997 von I nach S zusammen mit ihrem Ehemann beim Beklagten zur Einkommensteuer veranlagt.

Bis Ende 1991 betrieb sie in I, P-straße 98 eine allgemeinmedizinische Praxis. Zum 6. Januar 1992 veräußerte die Klägerin für 300.000 DM die Praxis an Frau Dr. H, die seit dem 1. Januar 1991 bei ihr als freiberufliche Mitarbeiterin tätig gewesen ist. In dem Vertrag vom 11. November 1991 (Bl. 48), auf den wegen Einzelheiten Bezug genommen wird, heißt es u.a.:

„5. Frau Dr. K verpflichtet sich, folgende ärztliche Tätigkeiten ab 7. Januar 1992 nicht mehr auszuführen:

  1. kassenärztliche sowie
  2. hausärztliche Tätigkeit und
  3. Akutbehandlungen.”

Am 1. April 1992 eröffnete die Klägerin in ihrem Wohnhaus in I, B-straße 15 eine Praxis für Naturheilkunde.

Die Eheleute reichten ihre Einkommensteuererklärung 1992 im Zuge des gegen den Schätzungsbescheid 1992 vom 7. März 1995 gerichteten Einspruchsverfahrens ein. Darin beantragte die Klägerin für den Gewinn aus der Praxisveräußerung den Freibetrag nach §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 4 EStG sowie den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG. Am 22. Februar 1996 erging ein geänderter Einkommensteuerbescheid, in dem das Finanzamt den Veräußerungsgewinn als laufenden Gewinn aus der freiberuflichen Tätigkeit erfasste. Durch Entscheidung vom 30. September 2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Am 30. Oktober 2002 erhob die Klägerin Klage. Sie beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 22. Februar 1996 i.F.d. Einspruchsentscheidung vom 30. September 2002 die Einkommensteuer 1992 auf 32.779 DM (16.759,63 EUR) festzusetzen.

Die veräußerte Praxis sei eine typische Kassenarztpraxis gewesen (Privatpatientenanteil am Umsatz: ca. 12%, am Zeitaufwand ca. 8 %; Anteil der „Naturheilverfahren” weniger als 10 %). Gegenstand der Praxisveräußerung seien der Patientenstamm, die Praxiseinrichtung sowie die entsprechenden Verträge (Mietvertrag, Arbeitsverträge, Telefonanschluss u.ä.) gewesen (Bl. 29, 85). Der im Kaufpreis enthaltene Anteil für den Patientenstamm habe sich nach den berufsüblichen Bedingungen gerichtet (ca. 25 – 35% des Jahresumsatzes), wobei sich die Klägerin insbesondere verpflichtet habe, die „allgemeinmedizinische Tätigkeit (hausärztliche Tätigkeit)” nicht mehr auszuüben. Bei einem Praxisumsatz 1990 von 753.000 DM habe der Wert des Patientenstammes 188.250 DM bis 263.550 DM betragen. Unter Hinzuziehung der Praxiseinrichtung habe der Kaufpreis von 300.000 DM somit den gesamten Patientenstamm umfasst (Bl. 31, 42). Die Klägerin habe im Anschluss an die Praxisveräußerung vertragsgemäß ihre Kassenzulassung zurück gegeben (Bl. 24, 43, 57). Dadurch sei erkennbar, dass sie ihr bisheriges Tätigkeitsfeld endgültig aufgeben habe (Bl. 91).

Neben dem Vertragstext seien auch die mündlichen Absprachen bzw. der Wille der Vertragsparteien sowie die tatsächliche Durchführung des Vertrages zu berücksichtigen. Unter der „Praxis” sei die gesamte Praxis (u.a. der Patientenstamm und die Patientenkartei) zu verstehen (Bl. 43, 71). Die Erwerberin wäre nicht zur Praxisübernahme bereit gewesen, wenn nicht die Klägerin auf eine Konkurrenztätigkeit verzichtet hätte (Bl. 30, 71).

Die Klägerin habe sich nach der Praxisveräußerung auf Naturheilverfahren spezialisiert. Grundsätzlich habe die neue Spezialpraxis in S eröffnet werden sollen, weil die Klägerin nur noch Privatpatienten aus einem überregionalen Einzugsgebiet habe ansprechen wollen. Dies habe jedoch erst 1997 mit der Praxisverlegung nach S umgesetzt werden können. In der Naturheilpraxis habe die Klägerin nur noch Privatpatienten behandelt (Erlöse 1992: 243.000 DM). Gegenstand der neuen Praxis seien Diagnosen und Therapien mit nicht kassenärztlich zugelassenen Methoden (z.B. Akupunktur, Homöopathie) gewesen, nicht dagegen insbesondere die Hausarzttätigkeit und die Behandlung von Akuterkrankungen (Bl. 25, 42, 45 f., 73). Die Klägerin beschäftige sich nicht mit der medizinischen Basisversorgung, sondern behandele (als eine der in Deutschland führenden Mediziner auf diesem Gebiet) mit bioelektronischen Messverfahren und hieraus abgeleitet...

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