rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerlicher Leistungsort bei Schadensabwicklung von Verkehrsunfällen für ausländische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer im System der sog. „Grünen Karte” durch inländischen Schadensregulierer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Ort der Leistungen eines Einzelunternehmens, dessen Gegenstand die Abwicklung von Verkehrsunfällen im Inland für ausländische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer im so genannten „System Grüne Karte” ist und der hierbei u. a. die relevanten Tatsachen im Zusammenhang mit dem Unfall ermittelt, die Berechtigung und Durchsetzbarkeit der erhobenen Ansprüche prüft, Beweismittel sichert, beschafft und bewertet, Sachverständige beauftragt, etwaige Verhandlungen mit dem Geschädigten oder anderen Beteiligten über den Schadensausgleich führt sowie die verwaltungstechnische Abwicklung des Schadens erledigt, liegt nach § 3a Abs. 1 S. 1 UStG im Inland.

2. Der Leistungsort bestimmt sich bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nicht gem. § 3a Abs. 3 S. 1 UStG nach dem Ort, an dem der (ausländische) Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt, da es sich bei der Schadensregulierung nicht um eine in § 3a Abs. 4 UStG bezeichnete Leistung handelt und die Tätigkeit der Klägerin, die keine Rechtsanwältin ist, insbesondere keine Rechtsanwaltstätigkeit und auch keine Leistung ist, die i. S. d. § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG einer rechtlichen Beratung ähnlich ist (Anschluss an BFH, Beschluss v. 20.7.2012, V B 82/11, BStBl II 2012 S. 809).

 

Normenkette

UStG 2005 § 3a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Nr. 3, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 9, § 1 Abs. 2 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 9 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.11.2016; Aktenzeichen V R 15/16)

BFH (Urteil vom 30.11.2016; Aktenzeichen V R 15/16)

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Leistungen der Klägerin als Schadensregulierer ausländischer Verkehrsunfälle im Inland der Umsatzsteuer unterliegen.

Die Klägerin betreibt in X das Einzelunternehmen „Y”, dessen Gegenstand die Abwicklung von Verkehrsunfällen im Inland für ausländische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer im so genannten „System Grüne Karte” ist.

Dieses System basiert auf der Genfer Empfehlung Nr. 5 vom 25. Januar 1949 der Vereinten Nationen, die durch multilaterale Abkommen umgesetzt und letztlich im europäischen Recht durch die Richtlinie 72/166/EWG sowie die diese ändernden Richtlinien 84/5/EWG, 88/357/EWG, 90/232/EWG und 2005/14/EG (ABl. EG L 149/17 vom 11. Juni 2005) verankert wurden. Es dient dem Schutz der Opfer von Verkehrsunfällen. Hierzu werden in allen Mitgliedsstaaten die jeweiligen Haftpflichtversicherungen der anderen Mitgliedsstaaten als für die Zulassung ausreichender Versicherungsschutz auf der Grundlage entweder einer vom ausländischen Versicherer an seinen Versicherungsnehmer verausgabten internationalen Versicherungsbescheinigung „Grüne Karte”) oder vereinfacht auf Basis des amtlichen Kennzeichens des jeweiligen Kraftfahrzeugs, das nur bei entsprechendem Versicherungsschutz erteilt wird, anerkannt. Im Gegenzug werden in allen Mitgliedsstaaten zentrale Büros eingerichtet, die für die ausländischen Haftpflichtversicherer die Regulierung von Verkehrsunfällen im Inland übernehmen. Bei Verkehrsunfällen in Deutschland mit einem ausländischen Kfz kann daher der Geschädigte den hier zuständigen „Deutsches Büro Grüne Karte e.V.” (DBGK) – dessen (Zwangs-) Mitglieder alle inländischen Haftpflichtversicherer sind – unmittelbar anstelle des ausländischen Versicherers in Anspruch nehmen. Passivlegitimiert ist das DBGK. Nicht passivlegitimiert sind demgegenüber die mit der Abwicklung beauftragten Mitgliedsunternehmen und Schadenregulierungsbüros (siehe die Internetseite des DBGK unter http://www.gruene-karte.de/schadenabwicklung-regulierungspraxis.html).

Das DBGK wickelt die ihm gemeldeten Schadensfälle mangels sachlicher und personeller Ausstattung in der Regel nicht selbst ab, sondern teilt einem seiner Mitglieder (Versicherungsunternehmen) oder einem gewerblichen Schadensregulierungsunternehmen – wie dem der Klägerin – mit, dass es den Schadenfall zu Lasten des ausländischen Büros oder des ausländischen Haftpflichtversicherers abwickeln soll (siehe http://www.gruene-karte.de/schadenabwicklung – regulierungspraxis.html). Dabei prüft das DBGK nach Eingang der Schadensmeldung des Geschädigten, ob der ausländische Versicherer des Unfallgegners einen so genannten Korrespondenten für die Abwicklung einschlägiger Verkehrsunfälle benannt hat. Bejahendenfalls überträgt das DBGK dem benannten Unternehmen bzw. dem benannten Schadenregulierer die Schadensabwicklung, anderenfalls wählt das DBGK unter seinen Mitgliedern und sonstigen Schadensregulierungsunternehmen das jeweils zuständige aus (so genannte freie Behandlung).

Der Schadenregulierer wickelt sodann für den ausländischen Versicherer gegenüber dem Geschädigten die Rechtsfolgen des Verkehrsunfalls ab. Im ...

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