rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlich keine Gewinnerzielungsabsicht in den mittleren und unteren Strukturebenen eines Strukturvertriebs bzw. Netzwerk-Marketings sowie für eine strukturell angelegte dauerdefizitäre nebenberufliche Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Handel im Rahmen eines sog. Strukturvertriebs bzw. Netzwerk-Marketings ist in der mittleren und unteren Strukturebene wegen der typischerweise strukturell angelegten Verlustsituation grundsätzlich der Anscheinsbeweis für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht als widerlegt ansehen (Anschluss an FG Thüringen v. 21.2.2002, II 215/00, sowie an Hessisches FG v. 23.9.2005, 1 K 250/01).

2. Anlaufverluste sind nur dann steuerrechtlich nicht anzuerkennen, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass der Betrieb, so wie ihn der Steuerpflichtige geführt hat, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltig Gewinne zu erzielen, und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dargestellt hat.

3. Es spricht von Anfang an gegen eine Gewinnerzielungsabsicht einer nur in geringem zeitlichem Umfang im Nebenberuf neben einer hauptberuflichen Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeübten gewerblichen Verkaufstätigkeit, wenn die Steuerpflichtige z.B. lediglich zwei bis drei Wochenstunden aufwendet, die zudem auch wöchentliche Schulungen und Wochenend-Businessbildungseminare umfassen, Erlöse und bestimmte Betriebsausgaben wie Kfz-Kosten in einzelnen Jahren trotz gerichtlicher Aufforderung nicht im Einzelnen schlüssig darlegt und nachweist, keine Provisionsabrechnungen vorlegt und nach einer Gesamtabwägung aller ersichtlichen Umstände von einer strukturell angelegten dauerdefizitären nebenberuflichen Tätigkeit auszugehen ist.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die von der Klägerin geltend gemachten Einkünfte aus einer nebenberuflichen B-Tätigkeit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen sind.

Die hauptberuflich als Krankenschwester in einem Krankenhaus beschäftigte Klägerin nahm im September 2000 ihre Nebentätigkeit für B auf. Bis zur krankheitsbedingten Ruhendstellung der B-Tätigkeit im Jahr 2007 ergaben sich aus den Einnahmen-Überschussrechnungen der Klägerin folgende Kennzahlen (gerundet):

Nachdem das beklagte Finanzamt (FA) in den jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden ersten Einkommensteuerbescheiden zunächst die streitigen B-Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigt hatte, strich es diese mangels Gewinnerzielungsabsicht mit den Änderungsbescheiden vom 20. November 2008.

Im sich dagegen richtenden Einspruchsverfahren trug die Klägerin zu ihrer Gewinnerzielungsabsicht und umfänglich zur Bildung einer § 7g-Rücklage i. S. d. § 7g Einkommensteuergesetz (EStG) vor. Im Einspruchsverfahren betreffend die Vorjahre 2000 bis 2002 hatte die Klägerin u.a. ausgeführt, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit nicht in der Durchführung einzelner Verkäufe liege. Die Klägerin werbe Kunden, vernetze diese, wofür diese nach erfolgtem Verkauf Provisionen erhalten würde. Der logistische Teil werde über die Firma B abgewickelt. Zeitlich wende die Klägerin für die B-Tätigkeit zwei bis drei Wochenstunden auf. Einmal in der Woche fänden Schulungen und an den Wochenenden Businessbildungseminare statt. Die Gewinnaussichten würden davon abhängen, wie viel Zeit die Klägerin neben ihrer nichtselbständigen Tätigkeit für die B-Tätigkeit zur Verfügung habe; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 12. September 2008 (Bl. 87 der beigezogenen Einspruchakte „ESt 2000-2002” des Klageverfahrens 6 K 1619/08) Bezug genommen. Mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2009 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die vorliegende Klage. Zur Begründung vertieft die Klägerin ihren Vortrag zur Gewinnerzielungsabsicht und zur Bildung einer § 7g-Rücklage. Es genüge die wirtschaftliche Absicht, Gewinne zu erzielen, weshalb das Vorhandensein von Verlusten nicht zum Wegfall der Gewinnerzielungsabsicht führen würde. Zudem sei die Krankheit der Klägerin zu berücksichtigen und es sei ein Verlustzeitraum von acht bis zehn Jahren für Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht unschädlich.

Für die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Bescheide vom 20. November 2008 in Form des Einspruchsbescheides vom 11. Juni 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA vertiefte sein bisheriges Vorbringen.

Im Erörterungstermin schilderte die Klägerin, dass sie im Jahre 2004 eine Tumordiagnose erhalten habe und ihr eine Lebenserwartung von einem Jahr prognostiziert worden sei. Sie habe von 2004 bis 2007 verschiedene Ärzte und Heilpraktiker im Bundesgebiet aufgesucht und sich anstelle eine...

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