rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des kurzfristigen Ausschlusses des Agrarsektors von der Investitionszulagenbegünstigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die von einem Mühlenbetrieb nach dem 2.9.1998 angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter sind gem. § 2 S. 2 Nr. 4 InvZulG 1996 i. d. F. des Steuerentlastungsgesetz 1999 vom 19.12.1998 ohne Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nicht investitionszulagenbegünstigt. Art. 2 der Entscheidung 1999/183/EG der Kommission vom 20.5.1998 über mögliche staatliche Beihilfen Deutschlands zur Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse Deutschlands auf der Grundlage bestehender Beihilferegelungen mit regionaler Zielsetzung (ABl. EG 1999, L 60, S. 61) belässt dem deutschen Gesetzgeber keinen nationalen Umsetzungsspielraum dahingehend, zum Stichtag bereits getroffene Dispositionsentscheidungen noch zu begünstigen (vgl. EuGH v. 21.3.2013, C-129/12 aufgrund des Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 27.2.2012, 1 K 1303/11, nach Zurückweisung des Vorlagebeschlusses an das BVerfG 1 K 290/01 v. 20.12.2007 als unzulässig durch Beschluss des BVerfG v. 4.10.2011 1 BvL 3/08).

 

Normenkette

InvZulG 1996 § 2 S. 2 Nr. 4 Fassung: 1998-12-19, § 3 S. 4; EStDV § 9a; GG Art. 20 Abs. 3; Entscheidung 1999/183/EG Art. 2

 

Tenor

Die Klage wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin unterhält einen Mühlenbetrieb. Sie beantragte am 10. September 1999 Investitionszulage für das Jahr 1998 i.H.v. 594.859,00 DM bei einem Fördersatz von 10 v.H. und einer Bemessungsgrundlage i.H.v. 5.948.587,00 DM und stockte die Bemessungsgrundlage anlässlich einer Augenscheinseinnahme auf 5.962.238,22 DM auf. Der Beklagte setzte, nachdem die Klägerin versehentlich die Zulage für einen Betrieb des Groß- und Einzelhandels beantragt hatte, die Investitionszulage für Handwerk/verarbeitendes Gewerbe lediglich für eine Bemessungsgrundlage von 1.917.977,00 i.H.v. 191.798,00 DM fest. Ein Teil der Änderungen beruhte auf nicht mehr streitigen Feststellungen.

Im Klageverfahren hat der Beklagte auf Grund von ebenfalls nicht streitigen Feststellungen eine weitere Kürzung auf eine Bemessungsgrundlage von 1.754.677,00 DM und eine Investitionszulage von 175.467,70 DM vorgenommen und die Klägerin ihrerseits ergänzt, dass im Streitjahr weniger als 100 Mitarbeiter bei ihr beschäftigt gewesen seien.

Der auf eine Bemessungsgrundlage von 3.940.081,00 DM entfallende und streitige Teil der Kürzung beruht auf der Anwendung des durch das Steuerentlastungsgesetz 1999 vom 19. Dezember 1998 eingefügten § 2 Satz 2 Nr. 4 Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1996, der zahlreiche nach dem 2. September 1998 stattgefundene Anschaffungs- und Herstellungsvorgänge im Agrarsektor von der Investitionszulagenbegünstigung ausschloss. Die Vorschrift ist zurückzuführen auf eine im Jahr 1998 bestandskräftig gewordene Entscheidung der Europäischen Kommission über Beihilfemöglichkeiten im Agrarsektor, der ein jahrelanger Streit der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission vorausgegangen war.

Alle in diesem Teil der Bemessungsgrundlage enthaltenen Wirtschaftsgüter wurden – unstreitig – nach dem 2. September 1998 angeschafft, während die Klägerin ihre verbindliche Investitionsentscheidung vor dem 3. September 1998 getroffen hatte. Es handelt sich um folgende Investitionskomplexe:

Wirtschaftsgüter/Komplexe

Bemessungsgrundlage in DM

Abstehzellen

134.711,37

Getreidesilo-Komplex

229.311,62

Laborgeräte

42.678,01

Neue Weizenmühle

1.475.000,00

Verarbeitungslinie „Weizen”

1.475.000,00

Transformatorenstation und Niederspannungshauptverteilung

266.924,84

Auflieger MD-MM 67

205.000,00

FTH-Paletten-Transportanlage

25.000,00

Signiersystem „UNICORN”

3.620,05

Signiersystem „UNICORN”

3.264,15

FTH-Paletten-Transportanlage

26.100,00

Gossenentstaubungsanlage

53.471,06

Summe

3.940.081,10

Für den Getreidesilo-Komplex, die Weizenmühle, die Verarbeitungslinie Weizen, den Auflieger und die zweitgenannte FTH-Paletten-Transportanlage (mithin für Wirtschaftsgüter mit einer Bemessungsgrundlage von insgesamt 3.410.411,62 DM) liegt zudem ein belegmäßiger Nachweis vor, dass die verbindlichen Bestellungen vor diesem Datum liegen. Die neue Weizenmühle kann überdies ohne Abstehzellen nicht betrieben werden. Alle streitigen Wirtschaftsgüter sind erforderlich für den Betrieb des mit Hilfe der Gesamtinvestition modernisierten Mühlenbetriebs.

Soweit die Klägerin hier eine um 1.000,00 DM erhöhte Bemessungsgrundlage errechnet hat, beruht dies auf einen fehlerhaften Ansatz des Beklagten im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren, welches erfolglos blieb. Gegen die Einspruchsentscheidung vom 30. August 2001 wurde am 26. September 2001 Klage erhoben.

Die Klägerin hat vorgebracht, die Einfügung von § 2 Abs. 2 Nr. 4 InvZulG 1996 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999 vom 19. Dezember 1998 verstoße gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Auch wenn der Investitionszulagenanspruch erst mit Ab...

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