Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtgewährung von seitens der Kommission für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbart erklärter Investitionszulage bei Investitionsentscheidung vor Veröffentlichung der Änderung des InvZulG. Pflicht des Instanzgerichts, vor einer Vorlage eines Unionsrecht umsetzenden Gesetzes an das BVerfG die Verbindlichkeit der unionsrechtlichen Vorgaben zu klären

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dem EuGH wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Hat die Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 1998 (Nr. K [1998] 1712, ABl. EG 1999 Nr. L 60, S. 61) dem deutschen Gesetzgeber einen Umsetzungsspielraum bei der Ausgestaltung des § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999 vom 19. Dezember 1998 belassen, wonach durch diesen eine Regelung gedeckt wäre, die hiervon betroffene Investitionen begünstigt, bei denen die bindende Investitionsentscheidung vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der Kommissionsentscheidung bzw. vor Veröffentlichung der beabsichtigten Maßnahmen im BStBl getroffen wurde, die Lieferung des Investitionsgegenstands sowie die Festsetzung und Auszahlung der Zulage aber danach erfolgt?

2. Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 Abs. 1 AEUV nach dem das BVerfG das Normenkontrollverfahren des FG Sachsen-Anhalt v. 20.12.2007, 1 K 290/01 mit Beschluss v. 4.10. 2011, 1 BvL 3/08 für unzulässig erklärt hat, weil nicht hinlänglich klar war, inwieweit die zur Prüfung vorgelegte Norm des InvZulG 1996 auf einer den nationalen Gesetzgeber bindenden Vorgabe des Gemeinschaftsrechts beruht.

 

Normenkette

InvZulG 1996 § 2 S. 2 Nr. 4 Fassung: 1998-12-19; AEUV Art. 267 Abs. 1, Art. 108 Abs. 2, Art. 288 Abs. 4; EG Art. 93 Abs. 2; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1; BVerfGG § 80 Abs. 2

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 21.03.2013; Aktenzeichen C-129/12)

 

Tenor

Das Verfahren wird gemäß § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Hat die Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 1998 (Nr. K [1998] 1712, ABl. EG 1999 Nr. L 60, S. 61) dem deutschen Gesetzgeber einen Umsetzungsspielraum bei der Ausgestaltung des § 2 Satz 2 Nr. 4 Investitionszulagengesetz (InvZulG 1996) in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999 vom 19. Dezember 1998 belassen, wonach durch diesen eine Regelung gedeckt wäre, die hiervon betroffene Investitionen begünstigt, bei denen die bindende Investitionsentscheidung vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der Kommissionsentscheidung bzw. vor Veröffentlichung der beabsichtigten Maßnahmen im Bundessteuerblatt (BStBl) getroffen wurde, die Lieferung des Investitionsgegenstands sowie die Festsetzung und Auszahlung der Zulage aber danach erfolgt?

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999 vom 19. Dezember 1998, welcher in Umsetzung der Kommissionsentscheidung vom 20. Mai 1998 (Nr. K [1998] 1712) ergangen ist, gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt, und zwar insoweit als die Regelung auch Investitionsentscheidungen erfasst, die unter Geltung des alten Rechts und vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Kommissionsentscheidung bzw. der erstmaligen Veröffentlichung der beabsichtigten Neuregelung im BStBl verbindlich getroffen wurden, wobei eine Vorlage der Streitsache an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter diesem Gesichtspunkt erst in Betracht kommt, wenn im Rahmen eines Vorlageersuchens an den EuGH geklärt wurde, dass der nationale Gesetzgeber bei Umsetzung des Unionsrechts einen Umsetzungsspielraum hatte, nach dem derartige Investitionsentscheidungen hätten begünstigt werden können.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Investitionszulagengesetz, mit dem nach dem Willen des Gesetzgebers (BTDrucks 12/3432, S. 69) eine raschere und umfassendere Investitionstätigkeit privater Unternehmen im Fördergebiet, dem Land Berlin und den neuen Bundesländern, erreicht werden soll, regelt die Zahlung einer staatlichen Subvention (sog. Investitionszulage) bei bestimmten betrieblichen Investitionen und enthielt zunächst keine Einschränkungen für Investitionen im landwirtschaftlichen Bereich.

Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1996 sind begünstigte Investitionen – unter bestimmten weiteren, hier nicht streitgegenständlichen Voraussetzungen – die Anschaffung und Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, wenn u.a. der Anspruchsberechtigte sie nach dem 30. Juni 1994 begonnen sowie vor dem 1. Januar 1999 abgeschlossen hat und es sich um Investitionen in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes handelt (§ 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996). Die Bemessungsgrundlage ist nach § 4 Satz 1 InvZulG 1996 die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Wirtschaftjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, wobei der Abschluss der Investition gemäß § 3 Satz 4 InvZulG 1996 der Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung ist. Gemäß dem im Investitionszulagenrecht angewandten § 9a der Einkommensteuer-Durchführu...

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