Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer: Erklärung der Auflassung gegenüber Gesamtrechtsnachfolger. Gestaltungsmissbrauch. Grunderwerbsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ist durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG immer dann ausgeschlossen, wenn durch die Auflassung ein Übereignungsanspruch erfüllt wird. Es kommt nicht darauf an, wem gegenüber der Anspruch erfüllt wird. Danach kann § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG auch dann nicht zum Tragen kommen, wenn die Auflassung nicht zwischen den Vertragsparteien des nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG besteuerten Verpflichtungsgeschäfts, sondern zwischen dem Veräußerer und einem Dritten erklärt wird, auf den der Übereignungsanspruch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist.

2. Der Umstand, dass bei geringfügig anderer Gestaltung der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfüllt gewesen wäre, rechtfertigt keine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt.

3. Macht sich der Steuerpflichtige die tatbestandliche Beschränktheit (hier) des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG zunutze, indem er zivilrechtlich wirksam diejenige Gestaltung durchführt, bei der der Tatbestand nicht verwirklicht wird, so handelt es sich um eine wirtschaftlich angemessene, zulässige Gestaltung, die nicht zur Anwendung von § 42 AO führt.

 

Normenkette

GrEStG 1997 § 1 Abs. 1 Nrn. 1-3; AO 1977 § 42

 

Tenor

Der Grunderwerbsteuerbescheid für das Grundstück P-Str. 17 vom 05. Oktober 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2002 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Bekl.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Bekl. kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kl. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Rechtsvorgang der Auflassung zur Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG führt, wenn die Auflassung nicht zwischen den Vertragsparteien des nach 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG besteuerten Verpflichtungsgeschäfts, sondern zwischen dem Veräußerer und einem Dritten erklärt wird, auf den der Übereignungsanspruch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist.

Am 19.08.1994 schloss die ehemalige P-Verwaltung-GmbH einen Kaufvertrag mit der Stadt H über das Grundstück mit der heutigen Lagebezeichnung „P-Str. 17”. Die Auflassung sollte nach Durchführung der katasteramtlichen Vermessung erfolgen (I. § 9 Ziff. 1 des Kaufvertrags). Als Tag der Lieferung wurde der 08.07.1996 vereinbart (I. § 3 Ziff. 1 des Kaufvertrags). Der Grunderwerbsteuerbescheid betreffend diesen Rechtsvorgang wurde am 06.09.1994 erlassen.

Mit Vertrag vom 20.09.1995 veräußerten alle Gesellschafter mit Ausnahme des M., der seine Anteile vorab eingebracht hatte, ihre Gesellschaftsanteile an der P-Verwaltung-GmbH an die M-GmbH & Co. Verwaltung KG. Damit trat eine mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 06.01.1997 gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerlich erfasste Anteilsvereinigung bei der M-GmbH & Co. Verwaltung KG ein.

Ein Jahr später wurde die P-Verwaltung-GmbH aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 27.09.1996 mit der M-GmbH & Co. Verwaltung KG durch Aufnahme als Ganzes nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes verschmolzen. In derselben Urkunde wurde die übernehmende M-GmbH & Co. Verwaltung KG umfirmiert in P-Verwaltung-GmbH & Co. KG, die nunmehrige Kl. (II. § 5 des notariellen Verschmelzungsvertrags vom 27.09.1996).

Der Verschmelzungsbeschluss wurde am 02.04.1997 im Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft eingetragen.

Am 22.10.1997 stellten die Kl. und die Stadt H in einem notariellen Auflassungsvertrag zunächst fest, dass die Kl. Trägerin aller Rechte und Pflichten der früheren P-Verwaltung-GmbH und somit Käuferin im Sinne des Vertrags zwischen der Stadt H und der P-Verwaltung-GmbH vom 19.08.1994 sei (II. 1. des Vertrags) und vereinbarten sodann, dass das Eigentum an dem Grundstück mit der heutigen Lagebezeichnung „P-Str. 17” in das Eigentum der Kl. übergehe (Auflassung, III. 4.1 des Vertrags).

Der Bekl. unterwarf den Rechtsvorgang der Auflassung „gem. § 1 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG)” der Grunderwerbsteuer. Am 05.10.2001 erließ er einen Grunderwerbsteuerbescheid über DM 308.492,–. Als Bemessungsgrundlage legte er gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG den Grundstückswert zugrunde und nahm die Kürzung gemäß § 1 Abs. 6 GrEStG vor. Als Erläuterung führte der Bekl. unter anderem aus, die Steuer sei mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der aufnehmenden Gesellschaft, spätestens mit der Erklärung der Auflassung am 22.10.1997 entstanden.

Gegen diesen Bescheid legte die Kl. am 02.11.2001 Einspruch ein. Sie begehrte die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids, da der Bekl. sich weder über den Grund des Steuerans...

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