Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweitwohnungsteuer in Bremen: Verfassungsmäßigkeit, Besteuerungszweck, Steuerfestsetzung auf 0 DM aufgrund sachlicher Unbilligkeit, Fehlen weiterer Ausnahmeregelungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die von der Stadtgemeinde Bremen auf der Grundlage des Ortsgesetzes (BremZwStG, BremGBl. 1995 S. 528) vom 12.12.1995 erhobene Zweitwohnungsteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer, für die dem Land Bremen die Gesetzgebungskompetenz zusteht, und als solche nicht verfassungswidrig, und zwar auch insoweit nicht, als das BremZwStG für die Beurteilung der Zweitwohnung formal auf die melderechtlichen Verhältnisse abstellt.

2. Es ist Regelungsgegenstand des BremZwStG, die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu besteuern, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass das Innehaben einer - neben einer Hauptwohnung - weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) in aller Regel die Aufwendung (erheblicher) finanzieller Mittel erfordert.

3. Es ist eine Festsetzung der BremZwSt aufgrund sachlicher Unbilligkeit nach § 163 AO 1977 auf 0 DM geboten, wenn die Ehefrau aus beruflichen Gründen (zur Erlangung des passiven Wahlrechts) in einer anderen Stadt eine weitere Wohnung nehmen und als Hauptwohnsitz anmelden musste, so dass sie in der Familienwohnung in Bremen nur noch mit Zweitwohnsitz gemeldet ist, wenn ihr Ehemann nach wie vor mit Hauptwohnsitz in der Familienwohnung in Bremen gemeldet ist und der Ehefrau durch die Ummeldung des bisherigen Hauptwohnsitzes in Bremen zum Zweitwohnsitz hinsichtlich der Wohnung in Bremen kein zusätzlicher Aufwand entstanden ist, der dem Regelungsgegenstand des BremZwStG -Besteuerung einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit- entsprechen würde. Es wäre unbillig, die unveränderte und nicht mit größerem Aufwand verbundene Nutzung der Wohnung in Bremen durch die Ehefrau nur deshalb zu besteuern, weil es sich melderechtlich nunmehr um eine Zweitwohnung handelt.

4. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die im BremZwStG vorgesehenen Ausnahmeregelegungen (u.a. für bestimmte Träger der Wohlfahrtspflege und der Jugendhilfe) ausreichen und ob das Fehlen weiterer Ausnahmeregelungen - u.a. für Studentenwohnungen oder "Erwerbswohnungen"- mit dem Rechtsstaatprinzip vereinbar ist.

 

Normenkette

BremZwStG § 2 Abs. 2-3, §§ 1, 3, 5 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; AO 1977 § 163 Abs. 1; GG Art. 105 Abs. 2a

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer aufgrund des folgenden Ortsgesetzes:

Ortsgesetz über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Stadtgemeinde Bremen vom 12. Dezember 1995 (BremGBl. S. 528)

Der Senat verkündet das nachstehende, von der Stadtbürgerschaft nach § 1 Abs. 1 des Bremischen Abgabengesetzes vom 15. Mai 1962 (SaBremR 60 – a – 1), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 2. Februar 1993 (BremGBl.S. 44) geändert worden ist, beschlossene Ortsgesetz:

§ 1 Steuertatbestand

Die Stadtgemeinde Bremen erhebt eine Steuer auf das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet (Zweitwohnungsteuer).

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Wohnung im Sinne dieses Gesetzes ist jede Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen bestimmt ist und zu der eine Küche oder Kochnische sowie eine Toilette gehört.

(2) Zweitwohnung ist jede Wohnung im Sinne des Absatzes 1, die dem Eigentümer, Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten als Nebenwohnung im Sinne von § 16 des Meldegesetzes zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs dient.

(3) Sind mehrere Personen gemeinschaftlich nutzungsberechtigt, so gilt als Zweitwohnung im Sinne dieses Gesetzes der auf die Personen entfallende Wohnungsanteil, denen die Wohnung als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes dient. Für die Berechnung des Wohnungsanteils ist die Fläche der gemeinschaftlich genutzten Räume den an der Gemeinschaft beteiligten Personen zu gleichen Teilen zuzurechnen. Dem Anteil an der Fläche der gemeinschaftlich genutzten Räume ist die Fläche der von dem Nutzungsberechtigten allein genutzten Räume hinzuzurechnen.

(4) Keine Zweitwohnungen im Sinne dieses Gesetzes sind Wohnungen, die von freien Trägern der Wohlfahrtspflege aus therapeutischen Gründen oder von Trägern der öffentlichen oder der freien Jugendhilfe zu Erziehungszwecken zur Verfügung gestellt werden.

§ 3 Steuerpflicht

Steuerpflichtig ist der Inhaber der Wohnung, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken. Der Steuerpflicht unterliegen Personen, die mit Nebenwohnung gemeldet sind oder die sich nach dem Meldegesetz mit Nebenwohnung zu melden hätten.

§ 4 Besteuerungszeitraum

Die Zweitwohnungsteuer ist eine Jahressteuer. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr oder der Teil des Kalenderjahres, in dem der Steuertatbestand nach § 1 in Verbindung mit § 7 erfüllt wird.

§ 5 Steuerbemessungsgrundlage

(1) Die Steuer bemißt sich nach dem aufgrund des Nutzungsvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldeten Entgelt ohne Betriebs- oder sonstige Nebenkosten, bei Mietverträgen nach der Nettokaltmiete.

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