Entscheidungsstichwort (Thema)

Neuberechnung der Steuer nach stattgebendem Urteil. formlose Mitteilung des FA ist kein Verwaltungsakt i. S. d. § 68 FGO. Übersehen eines Änderungsbescheids im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 68 FGO findet keine Anwendung, wenn das FA nach § 100 Abs. 2 S. 3 FGO in Umsetzung eines erstinstanzlichen (teilweise) stattgebenden Urteils des FG den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitteilt.

2. Erst der gem. § 100 Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 FGO bekanntgegebene Steuerbescheid ist ein Verwaltungsakt i. S. d. § 118 Satz 1 AO und kann mit Einspruch und Klage angefochten werden.

3. Die durch § 68 FGO angeordnete Auswechselung des Verfahrensgegenstandes findet auch Anwendung, wenn nicht das FG, sondern der BFH im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Änderungsbescheide i. S. d. § 68 FGO übersieht und über nicht mehr existente und damit über „falsche” Bescheide entscheidet.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 100 Abs. 2; AO § 118 S. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

 

Tatbestand

Mit dem vorliegenden Klageverfahren erstreben die Kläger eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1994 bis 1996 (Streitjahre) vom 17. Mai 2010, die der Beklagte in Umsetzung eines (zwischenzeitlich rechtskräftigen) teilweise stattgebenden Urteils des Finanzgerichts – FG – Berlin-Brandenburg vom 1. September 2009 (vormals 15 K 7377/05 B, nachfolgend 8 K 7377/05 B) während eines beim Bundesfinanzhof (BFH) schwebenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (X B 21/10) erlassen hat.

Die miteinander verheirateten Kläger sind in den Streitjahren antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Gebäudereinigungsunternehmen sowie einen Winterdienst. Die Klägerin bezog als Angestellte im Unternehmen des Klägers Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Im Anschluss an eine sich auf die Streitjahre beziehende Außenprüfung ergingen für die Streitjahre u.a. geänderte Einkommensteuerbescheide, mit denen der Beklagte in Umsetzung der Prüfungsfeststellungen wegen ungeklärter Bareinlagen und wegen unklarer Herkunft von 200.000 DM aus einem (angeblichen) Darlehensvertragsverhältnis Hinzuschätzungen bei den gewerblichen Einkünften des Klägers vornahm. Hinsichtlich der rückständigen Einkommensteuerbeträge sind für Zwecke der Vollstreckung vom Beklagten Aufteilungsbescheide mit Datum vom 21. August 2002 und 23. April 2012 (Bl. 8 ff., 64 ff. Streitakte) nach Maßgabe der §§ 268 AbgabenordnungAO – erlassen worden.

Die Kläger griffen u.a. die geänderten Einkommensteuerbescheide mit Einspruch und nachfolgender Klage an. Im Klageverfahren kam es nach mündlicher Verhandlung mit Beweisaufnahme (Hinweis auf das Verhandlungsprotokoll vom 1. Dezember 2009, Bl. 275 ff./Band – Bd. – II in 8 K 7377/05 B) zu einem Urteil des FG Berlin-Brandenburg (vormals 15 K 7377/05 B) mit dem Tenor – auszugsweise – (Bl. 281 f./Bd. II in 8 K 7377/05 B):

„Die Einkommensteuerbescheide für 1994, 1995 und 1996 vom 16. März 2001 und vom 22. März 2001 … jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. September 2005 werden mit der Maßgabe geändert, dass weitere Betriebsausgaben für 1994 in Höhe von brutto 6.710,14 DM, für 1995 in Höhe von brutto 77.344,09 DM und für 1996 in Höhe von brutto 5.074,25 DM berücksichtigt werden. …”

Die Anordnung, dass dem Beklagten die Berechnung der Steuer übertragen wird (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –), enthält das Urteil nicht.

Gegen das Urteil des FG legten beide Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein, die der BFH mit Beschluss vom 19. Juli 2010 (X B 21/10) – auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 326 ff./Bd. II in 8 K 7377/05 B) – als unbegründet zurückwies.

Die dagegen erhobene Anhörungsrüge verwarf der BFH mit Beschluss vom 3. November 2010 (X S 28/10) als unzulässig (Bl. 36 fff. Streitakte).

Mit Beschluss vom 8. März 2010 – auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 318 Bd. II in 8 K 7377/05 B) – berichtigte der 8. Senat des FG Berlin-Brandenburg seine im Urteil vom 1. Dezember 2009 gefasste Kostenentscheidung. Der dagegen eingelegten Beschwerde (Bl. 328 ff. in 8 K 7377/05 B) wurde mit Beschluss vom 8. April 2010 (Bl. 332 in 8 K 7377/05 B) nicht abgeholfen.

Noch während des schwebenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens erließ der Beklagte am 17. Mai 2010 für 1994, 1995 und 1996 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AbgabenordnungAO – geänderte Einkommensteuerbescheide, die er der seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten, der F. GmbH, vertreten durch deren Geschäftsführer Herrn Rechtsanwalt C., unter der Anschrift D.-straße, E. bekannt gab. In den Erläuterungen zur Festsetzung ist der Hinweis enthalten: „Auf die Anlage zu diesem Bescheid wird hingewiesen.” Unter dem Abschnitt „Rechtsbehelfsbelehrung” auf Seite 4 der Bescheide ist die Einspruchseinlegungsmöglichkeit durch eine handschriftliche Ausstreichung auf die Festsetzung der Zinsen beschränkt. In einer Anlage zu ...

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