Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG bei Anmietung von Räumlichkeiten, technischer Ausstattung, Requisiten, Kostümen usw. zur Herstellung von Filmen durch ein Filmproduktionsunternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG verlangt eine fiktive Zuordnung zum Anlagevermögen des Mieters oder Pächters, da die gemieteten Gegenstände mangels Eigentums dem Betriebsvermögen nicht zugeordnet werden können. Es ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre. Bei der Prüfung, ob nach diesen Grundsätzen fiktives Anlagevermögen gegeben ist, muss der Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigt werden. Diese Prüfung muss sich soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren. Es ist zu fragen, ob der Geschäftszweck das dauerhafte Vorhandensein solcher Wirtschaftsgüter voraussetzt (vgl. BFH, Urteil v. 8.12.2016, IV R 24/11).

2. Bei einem Unternehmen, das Filme und Fernsehprogramme herstellt, jeden Film an einem anderen Drehort mit unterschiedlicher technischer Ausrüstung, anderen Kostümen und Requisiten dreht, sind die hierfür jeweils projekt- und filmbezogen angemieteten Räumlichkeiten, technischen Ausstattungen, Kostüme und Requisiten als fiktives Anlagevermögen i. S. d. § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG anzusehen, so dass eine Hinzurechnung der Mieten nach der Vorschrift vorzunehmen ist (Abgrenzung zu dem BFH-Urteil v. 25.10.2016 (Az.: I R 57/15) zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung bei einer Durchführungsgesellschaft von Messebeteiligungen). Dass die angemieteten Gegenstände und Kulissen jeweils nur für einen Film genutzt werden und somit keinen Wert für andere Filme des Unternehmens haben, schließt die Hinzurechnung nicht aus.

3. Die Hinzurechnung des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG setzt auch weder voraus, dass vergleichbare Eigentümerbetriebe bestehen, noch, dass dem konkreten Mieter oder Pächter eine Wahlmöglichkeit zwischen Miete oder Pacht einerseits und dem Erwerb andererseits gegeben ist, noch, ob sich das Unternehmen durch eine klassische Fremdfinanzierung bei Banken oder wie im Urteilsfall durch öffentliche Fördergelder finanziert. Schließlich kommt es nicht darauf an, ob sich neben dem Erwerb auch das Halten und eine etwaige spätere Veräußerung noch als rentabel erweisen würden.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. d, e

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.11.2020; Aktenzeichen III R 38/17)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die ihrem Unternehmensgegenstand nach auf die Herstellung von Filmen, Videofilmen und Fernsehprogrammen gerichtet ist.

Der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit liegt in der Produktion von Kino- und TV-Filmen, jeweils als Einzelprojekt. Die Herstellungskosten des einzelnen Films finanziert die Klägerin mit bewilligten Fördermitteln, Koproduktionsbeiträgen und Lizenzvergütungen sowie mit einem Eigenmittelanteil. Die Gewährung von öffentlichen Fördergeldern erfolgt oft unter der Bedingung, dass ein bestimmter Regionaleffekt eingehalten werden, mithin ein gewisser Anteil der Film-Herstellungskosten in einer bestimmten Region anfallen muss.

Jeder Film wird an anderen Drehorten mit unterschiedlicher technischer Ausrüstung, anderen Kostümen und Requisiten gedreht. Dafür mietet die Klägerin die jeweils benötigten Räumlichkeiten und Gegenstände an. Für die konkrete Auswahl der anzumietenden Räumlichkeiten und Gegenstände maßgeblich sind die Wünsche des jeweiligen Filmteams sowie die Vergabebedingungen für den Erhalt von Fördergeldern. Ein Verschleiß der angemieteten Räumlichkeiten und Gegenstände findet während der in der Regel 30 Tage andauernden Filmproduktion nicht statt. Nach der Filmproduktion gibt die Klägerin die für den einzelnen Film angemieteten Räumlichkeiten und Gegenstände daher an den jeweiligen Vermieter zurück.

Der Beklagte führte bei der Klägerin für die Jahre 2010 bis 2012 eine Außenprüfung durch. Der Prüfer kam in seinem Prüfungsbericht vom 11. Mai 2015 unter anderem zu dem Ergebnis, dass der jeweilige Gewerbeertrag der Klägerin in den Streitjahren um die Mietzahlungen für bewegliche Wirtschaftsgüter in Filmprojekten nach § 8 Nr. 1 Buchst. d Gewerbesteuergesetz (GewStG) zu erhöhen sei. Dabei erzielte er mit der Klägerin Einvernehmen darüber, dass die Aufwendungen der Klägerin für die Anmietung von Wirtschaftsgütern in Filmprojekten, bei denen eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG in Betracht kommt, um 135.960 Euro im Jahr 2010, um 586.444 Euro im Jahr 2011 und um 120.611 Euro im Jahr 2012 zu erhöhen sind. Diese Beträge setzen sich aus Mietaufwendungen für folgende Wirtschaftsgüter zusammen: Steadycam (2. Kamera), Kameraanlage, Schneideraum Bild, Kran, Playbackanlage, Bürogeräte, Büroräume, Produktionsbüro, s...

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