Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft als Gestaltungsmissbrauch. Anwendungsvorrang des § 42 AO gegenüber §§ 1 und 7 AStG. Zweistufige Ermessensausübung des FA im Rahmen des § 160 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ausführungen zu der Frage, wann die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft, durch die die Tätigkeit der inländischen Gesellschaft auf eine reine Lohnveredelung reduziert wird, als Gestaltungsmissbrauch anzusehen ist. Im Streitfall wurde ein Gestaltungsmissbrauch bejaht, da der inländische Veredler wesentliche Entscheidungen z.B. über den Ankauf des Rohstoffes, die Versendung der Ware und den Vertrieb der fertigen Produkte getroffen hat und die Verlagerung eines Teils der Gewinne auf die ausländische Gesellschaft allein aus steuerlichen Gründen erfolgte.

2. § 7 AStG setzt im Gegensatz zu § 42 AO neben weiteren Voraussetzungen eine angemessene Gestaltung voraus. § 42 AO geht daher § 7 AStG logisch vor. Ebenso ist die Anwendung des § 42 AO vorrangig gegenüber § 1 AStG.

3. Bestehen angesichts unterschiedlicher und sich zum Teil wieder aufhebender und rückwirkend geltender Darlehensverträge erhebliche Zweifel, an wen in welcher Höhe tatsächlich Schuldzinsen gezahlt worden sind und ob der Empfänger den Bezug versteuert hat, so ist ein Benennungsverlangen als erste Stufe der Ermessenausübung im Rahmen des § 160 AO grundsätzlich rechtmäßig.

4. Die auf der zweiten Stufe des im Rahmen des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO auszuübenden Ermessens zu treffende Entscheidung des Finanzamts über die steuerlich zu ziehenden Folgerungen aus der mangelnden Empfängernennung kann vom Gericht inhaltlich überprüft, korrigiert oder ersetzt werden.

 

Normenkette

AO §§ 42, 160 Abs. 1 S. 1, § 5; AStG § 1 Abs. 2, § 7

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.10.2009; Aktenzeichen I R 40/09)

BFH (Urteil vom 21.10.2009; Aktenzeichen I R 40/09)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand ihres Unternehmens ist die industrielle Herstellung von Rohlingen für die Soft-Drink-Herstellung – sogenannte PET-Rohlinge bzw. Preforms. Aus diesen Rohlingen werden Getränkeflaschen aus Kunststoff geformt.

Die Klägerin wurde im März 1996 errichtet. Gesellschafter der Klägerin waren Herr W. und Herr V.. Im Juli 1996 veräußerte Herr V. seine Anteile an Herrn M. und Herrn B.. Im Jahr 1997 beteiligten sich als weitere Gesellschafter Herr C. und Herr G.. Im August 2000 erwarb Herr M. sämtliche Anteile der Klägerin. Sodann erhöhte er das Kapital von zuvor 50.000 DM durch eine Bareinlage auf 4.000.000 DM. Einige der vorgenannten Gesellschafter waren der deutschen Sprache nicht vollumfänglich mächtig. Deshalb war bei den notariellen Beurkundungen der Anteilsübertragungsvorgänge in den meisten Fällen Herr T., teilweise als Dolmetscher, teilweise als bevollmächtigter Vertreter der handelnden Personen anwesend. Geschäftsführer war in der Zeit von der Gründung bis Mitte März 1999 Herr W., dem bis März 2000 Herr N. folgte. Dieser wurde von Herrn O. abgelöst. Die Fabrikationsstätte der Klägerin befindet sich in A. und die Geschäftsleitung in B..

In den Streitjahren verarbeitete die Klägerin im Rahmen der Lohnveredelung Kunststoffgranulat, welches sie vorwiegend aus dem südostasiatischen Raum bezog, zu PET-Rohlingen bzw. Preforms. Mit Vertrag vom 25. Februar 1997, auf den vollinhaltlich Bezug genommen wird, vereinbarte die Klägerin mit einer in X./L. ansässigen Gesellschaft, der – B. –, die Lohnveredelung von Granulat. Als Preis für die Lohnveredelung waren zunächst … DM/Preform vereinbart. Nach einer Vertragsänderung vergütete die B… die Tätigkeit der Klägerin mit … DM pro Preform. Die Herstellung erfolgte zunächst seit März 1997 mit einer Maschine und seit Februar 1998 mit zwei so genannten Einspritzgußmaschinen. Die Rohlinge lieferte die Klägerin in den Jahren 1997 bis 1999 überwiegend im Auftrag der B. größtenteils an russische, weissrussische, ukrainische und polnische Abnehmer. Das Rohmaterial stellte zu einem großen Teil die B. zur Verfügung. Die Klägerin übernahm für die B. die Organisation für den Versand der Rohlinge an die Abnehmer und erstellte zu diesem Zweck die Zollpapiere und Rechnungen.

Einer Auskunft des Bundesamtes für Finanzen zufolge hat die B. in L. lediglich einen statuarischen Sitz. Eigner des Unternehmens ist der Y. Trust; als Verwaltungsräte sind die Herren P. und Q. bestimmt. Der Y. Trust ist eine Treuhandgesellschaft in L. und kann L.-Aktiengesellschaften, Anstalten, Anlagegesellschaften, Stiftungen, Trust Settlements und Treuunternehmen gründen und verwalten. Er gehört zu der in L. ansässigen Q.-Gruppe. Im Internet tritt die Q.-Gruppe als eine Gesellschaftsgruppe auf, die privaten Kunden und Gesellschaften Treuhand-, Gesellschafts-, Vermögensverwaltungs- und Family-Office Dienste anbietet. Sie strukturiert, gründet und verwaltet Gesellschaften im Auftrag ihrer Kunden. In der Internetpräsentation üb...

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