Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verstoß des Luftverkehrsteuergesetzes gegen Verfassungsrecht auch bei EU-Rechtswidrigkeit der Verpflichtung ausländischer Luftfahrtunternehmen zur Benennung eines steuerlichen Beauftragten keine Aufhebung der von diesem Beauftragten abgegebenen Anmeldung zur Luftverkehrsteuer Ausnahmen von der Luftverkehrsteuer keine staatlichen Beihilfen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Luftverkehrsteuergesetz ist in formeller wie in materieller Hinsicht verfassungsgemäß.

2. Bei der Luftverkehrsteuer handelt es sich weder um eine offene noch um eine verdeckte Verbrauchsteuer; sie verstößt insoweit weder direkt noch indirekt gegen die Verbrauchsteuersystemrichtlinie 2008/118/EG (Systemrichtlinie).

3. Auch wenn die in §§ 8, 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2 LuftVStG (in der Fassung des Gesetzes vom 9.12.2010) enthaltene Verpflichtung für alle Luftverkehrsunternehmen, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland haben, einen steuerlichen Beauftragten zu benennen, und die damit im Zusammenhang stehende dingliche Haftung des Eigentümers oder Halters des Flugzeuges oder Drehflüglers gegen die Grundfreiheiten des AEUV verstoßen würden, kann dies nicht zu einer Aufhebung der als Steuerfestsetzung wirkenden Steueranmeldung zur Luftverkehrsteuer führen, da bei einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten lediglich die Pflicht der Steuerschuldnerin entfiele, einen steuerlichen Beauftragten nach § 8 LuftVStG zu bestellen, ihre Steuerpflicht gleichwohl bestehen bliebe und sie daher in jedem Fall verpflichtet wäre, eine Steueranmeldung gemäß § 12 LuftVStG in eigener Sache abzugeben.

4. Ein etwaiger Verstoß der Verpflichtung zur Bestellung eines steuerlichen Beauftragten gegen die Grundfreiheiten kann sich auch nicht zugunsten des Beauftragten auswirken, wenn sich dieser freiwillig als steuerlicher Beauftragter i. S. d. § 8 LuftVStG zur Verfügung gestellt hat und die Bestellung auch wirksam gemäß § 8 LuftVStG erfolgt ist.

5. Dass das LuftVStG Ausnahmen für Frachtverkehr sowie Rundflüge vorsieht und Flüge ungeachtet ihres Preises in alleiniger Abhängigkeit von der Flugstrecke besteuert, stellt keine staatliche Beihilfe i. S. v. Art. 107 AEUV zu Gunsten der Anbieter von Luftfrachtdiensten, Rundflügen bzw. Fluggesellschaften im gehobenen Preissegment dar und könnte zudem in einem Verfahren eines nicht von Luftverkehrsteuer befreiten Luftverkehrsunternehmen gegen die eigene Luftverkehrsteueranmeldung nicht erfolgreich gerügt werden.

 

Normenkette

LuftVStG § 1 Abs. 1, § 4 Nr. 7, § 7 Abs. 2, § 6 Abs. 2, §§ 8, 12; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12; Richtlinie 2008/118/EG Art. 1 Abs. 1; Richtlinie 2003/96/EG Art. 14 Abs. 1 Buchst. b; AEUV Art. 18, 49, 56, 107-108; EGV Art. 43, 49; EU-Grundrechte-Charta Art. 21 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.12.2015; Aktenzeichen VII R 55/13)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägerinnen auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vereinbarkeit der Luftverkehrsteuer mit dem Europarecht.

Bei den Klägerinnen handelt es sich um zwei Luftfahrtunternehmen. Die Klägerin zu 1) ist ein in C. ansässiges Unternehmen; bei der Klägerin zu 2) handelt es sich um ihre für Zwecke der Luftverkehrsteuer in Deutschland bestellte steuerliche Beauftragte. Nachdem die Steueranmeldung der Klägerin zu 1) für den Zeitraum Januar 2011 dem Beklagten übersandt worden war, haben die Klägerinnen Sprungklage erhoben, der der Beklagte zugestimmt hat.

Sie wenden sich in diesem Verfahren gegen die ihrer Ansicht nach bestehende Europarechtswidrigkeit der Luftverkehrsteuer. Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, dass die Luftverkehrsteuer ihrem materiellen Gehalt nach eine Verbrauchsteuer auf Flugbenzin sei, die nach Europarecht nicht zulässig sei (Näheres unter 1.). Weiterhin seien die europarechtlichen Grundfreiheiten der Klägerin zu 1) (Näheres unter 2.) verletzt. Außerdem enthalte das Luftverkehrsteuergesetz – LuftVStG – im Hinblick auf die darin geregelten zahlreichen rechtlichen und tatsächlichen Ausnahmen unzulässige Beihilfen im unionsrechtlichen Sinne für die insoweit begünstigten Unternehmen (siehe 3.).

1. Die Klägerinnen machen geltend, dass die Luftverkehrsteuer bei wirtschaftlicher Betrachtung eine verdeckte Besteuerung von Flugbenzin darstelle. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG – Systemrichtlinie – i.V.m. Art. 14 Abs. 1 lit. b Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom – Energiesteuerrichtlinie – verbiete die Besteuerung von Flugbenzin. Die Luftverkehrsteuer sei materiell eine solche Energiesteuer und verstoße damit gegen die genannten Vorschriften.

Wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund ergebe, sei das Ziel der Systemrichtlinie ein reibungsloses Funktionieren des Binnenma...

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