rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch eines körperbehinderten Teilnehmers der Steuerberater-Prüfung auf Prüfungserleichterung durch Angebot eines Multiple-Choice-Testes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein insbesondere wegen einer Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks schwerbehinderter Kandidat für die Steuerberater-Prüfung hat keinen Anspruch auf eine Prüfungserleicherung dergestalt, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, die Aufsichtsarbeiten im Wege eines Multiple-Choice-Verfahrens zu fertigen. Dies würde eine gravierende inhaltliche Veränderung der Aufgabenstellung darstellen und zu einem keinesfalls durch die Körperbehinderung gerechtfertigten übermäßigen Vorteil des Kandidaten gegenüber den anderen Prüfungsteilnehmern führen.

2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Steuerberaterkammer als Nachweis für die Voraussetzungen einer Prüfungserleichterung ein privatärztliches Attest nicht akzeptiert, sondern ein amtsärztliches Attest verlangt.

 

Normenkette

DVStB § 18 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 S. 1, § 16 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, 3, Art. 12 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger nahm an der Steuerberaterprüfung 2010 in der Weise teil, dass er im April 2010 die Zulassung zur Prüfung beantragte und zugleich – unter Hinweis auf eine Schwerbehinderung, insbesondere wegen der Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks – bat, ihm eine Erleichterung für das Fertigen der Aufsichtsarbeiten in Form eines Multiple-Choice-Tests einzuräumen. Hierbei stützte sich der Kläger auf ein privatärztliches Attest des Dipl.-Med. C, Facharzt für Orthopädie, vom 15.04.2010. Dieser hatte unter Hinweis auf die orthopädischen Behinderungen des Klägers („LWS und BWS-Syndrom, Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, primäre Schultersteife, Handgelenkarthrose, Sehnenscheidenentzündung, Carpaltunnelsyndrom”) angeregt, dass eine dauernde Schreibtätigkeit aus medizinischen Gründen vermieden bzw. stark reduziert werden soll.

Die Beklagte teilte dem Kläger in der Folgezeit wiederholt schriftlich und fernmündlich mit, dass dieser ein amtsärztliches Gutachten vorlegen müsse, in dem der Amtsarzt u.a. vorschlagen solle, welche Prüfungserleichterung aus Sicht des Arztes angemessen sei. An Stelle des amtsärztlichen Gutachtens legte der Kläger einen Feststellungsbescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vor, in dem das Amt den Grad der Behinderung auf nunmehr 60 von Hundert erhöhte; der Bescheid enthielt keine Aussage zu der Handgelenkbehinderung. Weiterhin reichte der Kläger ein Attest des PD Dr. med. D, Facharzt für Innere Medizin, vom 16.09.2010 ein, in dem dieser dem Kläger u.a. eine regelmäßige dauerhafte ambulante Behandlung wegen Diabetes mellitus bescheinigte.

In dem Bescheid vom 29.09.2010 führte die Beklagte aus, der Kläger habe trotz entsprechender Aufforderung nicht durch das Attest eines Amtsarztes nachgewiesen, dass eine Körperbehinderung vorliege, die die Beeinträchtigung der Schreibfähigkeit des Klägers begründet habe. Daher könne insoweit ein Nachteilsausgleich nicht gewährt werden. Eine Prüfungserleichterung komme allein wegen der dargelegten Diabetes mellitus-Erkrankung in Betracht. Dementsprechend verlängerte die Beklagte lediglich die Schreibzeit je Aufsichtsarbeit in dem zeitlichen Umfang, den der Kläger für die erforderlichen Blutzuckerkontrollen benötigen würde. Daraufhin nahm der Kläger an dem schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung … in der Weise teil, dass er am …, dem Tag der dritten Aufsichtsarbeit, durch schriftliche Erklärung von der Prüfung zurück trat.

Der Kläger hat mit Datum vom 27.10.2010 Klage eingereicht, die er wie folgt begründet: Der Rücktritt von der Prüfung am … sei auf Grund der unerträglichen Belastungen notwendig gewesen. Insbesondere die Handgelenkbeeinträchtigung mache das stundenlange Schreiben unmöglich. Daher sei es erforderlich, nicht durch Zeitverlängerung, sondern durch Gestaltung der Aufsichtsarbeiten als Multiple-Choice-Verfahren die Behinderung auszugleichen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Kammerverfügung vom 29. September 2010 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Prüfungserleichterungen in der Form zu gewähren, dass er die im Zuge der nächsten Steuerberaterprüfung zu bewältigenden Aufsichtsarbeiten im Rahmen eines Multiple-Choice-Verfahrens bearbeiten könne.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten ist zwar von dem Vorliegen einer körperlichen Behinderung des Klägers auszugehen. Dieser habe aber nicht in der gebotenen Weise den Nachweis erbracht, dass diese Behinderung die behauptete Einschränkung der Schreibfähigkeit zur Folge habe. Zudem würde ein Multiple-Choice-Verfahren zu einer – vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen – inhaltlichen Änderung des Prüfungsverfahrens führen.

Der Senat hat durch Beschluss vom 10.01.2011 den Antrag des Klägers auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgewiesen (Aktenzeichen: 12 K 12250/10 PKH). Der Kläger hat am 08.02.2011 un...

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