Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbstständigkeit von Fortschreibungen wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und solchen zur Fehlerbeseitigung. Wertfortschreibung einer Einfamilienhaus-Doppelhaushälfte nach Dachgeschossausbau. Jahresrohmiete bei verbilligter Vermietung bundeseigener Grundstücke an Bundesbedienstete. Fehlersaldierung. Ausbau von Zubehörräumen zu Wohnzwecken

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Fortschreibungen wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und Fortschreibungen zur Fehlerbeseitigung bezüglich des Fortschreibungszeitpunktes stehen unabhängig nebeneinander, so dass auch dann, wenn das FA aus zwei Gründen eine Wertfortschreibung vornehmen will, hinsichtlich jedes Grundes gesondert geprüft werden muss, ob eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder eine Fehlerbeseitigung vorliegt.

2. Vermietet ein Arbeitgeber als Grundstückseigentümer Hausgrundstücke freiwillig an seine Bediensteten zu einer niedrigeren Miete als der Marktmiete, obwohl er sie auch an fremde Dritte zur marktüblichen Miete hätte vermieten können, ist bewertungsrechtlich die Marktmiete jedenfalls dann anzusetzen, wenn die Abweichung mehr als 20 % beträgt. Diese Grundsätze gelten auch bei verbilligter Vermietung von bundeseigenen Hausgrundstücken an Bundesbedienstete.

3. Bei der Ermittlung der Jahresrohmiete eines vor dem Hauptfeststellungszeitpunkt errichteten (Baujahr 1956) und nach dem Stichtag durch einen nicht nur unbedeutenden/geringfügigen Dachgeschossausbau erweiterten Einfamilienhauses ist für die durch den Dachgeschossausbau hinzugekommene Fläche der höhere Wert für das Baujahr 1963 und für den Bestand der niedrigere Wert für das Baujahr 1956 anzusetzen, wodurch rechnerisch für das Haus insgesamt ein gemittelter Wert entsteht, bei dem der Dachgeschossausbau umso stärker wirkt, je größer er in Relation zur Fläche des Bestands ist.

4. Da Gegenstand der Feststellung allein der Einheitswert (also das Rechenergebnis) ist, hingegen die einzelnen Ansätze (wie Wohnfläche und Mietwert) nur unselbstständige Rechengrößen, sind alle Fehler in der Berechnung des FA bis maximal zur vollständigen Klageabweisung zu saldieren.

5. Für die Schätzung der üblichen Miete gem. § 79 Abs. 2 BewG ist entscheidend, welchen Einfluss der Ausbau von Zubehörräumen zu Wohnzwecken auf die am Wohnungsmarkt erzielbare Miete hat.

 

Normenkette

BewG § 22 Abs. 1, 4 S. 3 Nr. 1, § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 2; AO § 177

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.09.2019; Aktenzeichen II R 15/16)

 

Tenor

Der Einheitswertbescheid – Wertfortschreibung – auf den 01.01.2010 vom 11.12.2013, geändert durch Bescheid vom 11.04.2014 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.01.2015, wird dahingehend geändert, dass bei der Berechnung der Jahresrohmiete für den Bauteil 01 eine monatliche Miete statt von 3,20 DM/m² nur von 2,37 DM/m² zugrunde gelegt, jedoch bei der Berechnung der Jahresrohmiete für den Bauteil 02 statt einer Wohnfläche von 14 m² eine Wohnfläche von 28 m² (Mietwert unverändert 4,90 DM/m²) angesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung des Einheitswerts wird dem Beklagten übertragen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 98 % und der Beklagte zu 2 %.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Einheitswert-Wertfortschreibung nach Dachgeschossausbau.

I.

Der Berliner Mietspiegel für die Wertverhältnisse 01.01.1964 weist für Einfamilienhäuser (einschließlich Doppelhäuser) mit einer Nutzfläche von 60 m² bis 200 m² folgende Werte aus:

Baujahreszeitraum 1954 bis 1956, bauliche Ausstattung einfach 2,10 DM/m², mittel 2,55 DM/m², gut 3,20 DM/m², sehr gut 4,10 DM/m²;

Baujahreszeitraum 1963, bauliche Ausstattung einfach 3,30 DM/m², mittel 4,00 DM/m², gut 4,90 DM/m², sehr gut 6,25 DM/m².

II.1.

Das im Westteil Berlins belegene Grundstück stand im Eigentum des Deutschen Reiches, dann des Bundes und schließlich ab 01.01.2005 der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) gemäß § 2 Abs. 2 BImAG, die es mit notariellem Kaufvertrag vom 16.06.2009 (Nutzen-Lasten-Wechsel 01.08.2009) an die Kläger veräußerte.

2.

Das Grundstück war von der britischen Besatzungsmacht – nach anderer Diktion Schutzmacht – beschlagnahmt und wurde 1956 mit einem Einfamilienhaus (Doppelhaushälfte) bebaut. Es wurde am 21.04.1993 in den Besitz des Bundesvermögensamtes Berlin I zurückgegeben (GrSt-A Bl. 10), welches, um es wieder vermieten zu können, zunächst instandsetzen musste, so dass 1993 nur für einen halben Monat Miete erzielt werden konnte (GrSt-A Bl. 11). Die Kläger führten nach ihrem Erwerb im 2. Halbjahr 2009 ebenfalls Renovierungsarbeiten durch und bauten dabei das bis dahin unausgebaute Dachgeschoss aus. Dabei wurden an den Mauern, den Decken und der...

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