rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterung des Prüfungszeitraums während der Außenprüfung für drei Jahre um die zwei Folgejahre: Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Einspruchsentscheidung für die Beurteilung der Ermessensausübung, keine Begründungspflicht für erste Anschlussprüfung. Prüfungsdurchführung unerheblich für Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob und in welchem Umfang bei einem Steuerpflichtigen nach § 193 AO eine Außenprüfung angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nach § 102 FGO nur darauf zu prüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermessensvorschrift eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks (§ 5 AO) fehlerfrei ausgeübt hat. Dabei sind die Regelungen der BpO als Selbstbindung der Verwaltung bei der Ermessensausübung auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten.

2. Für die gerichtliche Beurteilung von Ermessensentscheidungen (hier: Anordnung der Erweiterung einer Außenprüfung) kommt es auf die letzte Verwaltungsentscheidung, also auf die Einspruchsentscheidung, an. Dies betrifft nicht nur die angegebenen Gründe, sondern auch die Sach- und Rechtslage im Allgemeinen.

3. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO, wonach in der Regel nur drei Jahre gleichzeitig geprüft werden dürfen, liegt nicht vor, wenn zwar bereits vor Abschluss der Außenprüfung für zunächst drei Jahre der Prüfungszeitraum auf die beiden Folgejahre erweitert worden ist, wenn jedoch zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung betreffend die Anfechtung der Erweiterung des Prüfungszeitraums die Außenprüfung bezüglich der ersten beiden Prüfungsjahre bereits abgeschlossen war und damit zu diesem Zeitpunkt nur drei Jahre geprüft wurden.

4. Für eine erste Anschlussprüfung bedarf es keiner besonderen Begründung, eine besondere Begründungspflicht ergibt sich frühestens für eine zweite Anschlussprüfung (vgl. BFH-Rechtsprechung).

5. Der Beginn der Prüfung ist ein eigener Verwaltungsakt, diesbezügliche Fehler können die Prüfungsanordnung als solche nicht rechtswidrig machen.

6. Die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung wird nicht durch die spätere Form der Durchführung der Außenprüfung beeinträchtigt. Ob das Finanzamt heimliche bzw. rechtswidrige Auskunftsersuchen vorgenommen hat, kann daher auf die Rechtmäßigkeit einer Prüfungserweiterung keine Auswirkung haben.

 

Normenkette

AO §§ 5, 118, 193 Abs. 1; FGO § 102 S. 1; BpO § 4 Abs. 3 Sätze 1-3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 03.08.2022; Aktenzeichen XI R 32/19)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob das beklagte Finanzamt – FA – die steuerliche Außenprüfung auf die Prüfungsjahre 2011 und 2012 erweitern durfte.

I.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist B.. Sie ist kein Großbetrieb im Sinne der Größenklasseneinteilung der Betriebsprüfungsordnung – BpO –.

Für die 1998 gegründete und 1999 in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft fand die erste Außenprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 im Jahr 2007 statt.

Aufgrund Prüfungsanordnung vom 15.11.2013 fand eine Außenprüfung für die Jahre 2008 und 2009 statt.

Noch während diese Prüfung andauerte, erließ das FA am 01.12.2015 eine weitere Prüfungsanordnung für die Jahre 2010 bis 2012, die die Klägerin anfocht (FG Berlin-Brandenburg 6 K 6153/16). Im Rahmen der in jenem Verfahren am 12.10.2016 abgegebenen Klagebegründung führte die Klägerin aus, dass gegen die Prüfung für das Jahr 2010 doch keine Einwendungen erhoben würden, da eine Ausweitung des Prüfungszeitraums auf drei Jahre ohne Begründung möglich sei, und nahm die Klage für 2010 zurück. Mit Beschluss vom 01.11.2016 trennte der 6. Senat das Verfahren hinsichtlich der Anfechtung der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung für 2010 ab und stellte es ein. Mit Urteil vom 21.02.2017 hob er die Prüfungsanordnung hinsichtlich der Jahre 2011 und 2012 auf und führte aus, dass die Einschränkungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO, wonach maximal drei Jahre geprüft werden dürften, nach ihrem Sinn und Zweck unabhängig davon gelten müssten, ob formal eine Erweiterung der bisherigen Außenprüfung oder eine Anschlussprüfung angeordnet werde, da sonst die durch die BpO eingetretene Selbstbindung der Verwaltung unterlaufen würde. Gründe für eine Erweiterung über drei Jahre hatte das FA nicht angegeben. Gegen das dem FA am 28.02.2017 zugestellte Urteil wurden Rechtsmittel nicht eingelegt.

II.1.

Mit der hier verfahrensgegenständlichen Prüfungsanordnung vom 04.12.2017 ordnete das FA an, dass die mit Verfügung vom 01.12.2015 angeordnete Außenprüfung auf die Jahre 2011 und 2012 erweitert werde. Zur Begründung führte es aus, es sei mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen. Die im Rahmen der Prüfung der Jahre 2008-2009 festgestellten Mängel der Ordnungsgemäßheit der Buchführung hätten sich für den Zeitraum 2010 bestätigt. Entsprechende steuerliche Würdigungen seien daher auch für die Jahre ...

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