rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Aktivierung von Forderungen eines privaten Arbeitsvermittlers aus der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Aktivierungs-/Vermittlungsgutscheinen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Durch das „Vermittlungsgutscheinverfahren” soll das Zahlungsrisiko gerade nicht auf den Arbeitslosen verlagert werden, denn dieses Verfahren tritt nur an die Stelle der ansonsten kostenfreien Vermittlung durch die Agentur für Arbeit selbst. Mit Erhalt der Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine hat der private Arbeitsvermittler – wirtschaftlich betrachtet ausschließlich – Ansprüche gegen die Agentur für Arbeit.

2. Ist das Vermittlungshonorar je zur Hälfte nach sechswöchigem und sechsmonatigem Bestehen des vermittelten Arbeitsverhältnisses fällig, so liegen aufschiebend bedingte Ansprüche vor, die vor Eintritt der jeweiligen Bedingung nicht zu aktivieren sind.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4; SGB III § 34 Abs. 6, § 45 Abs. 6, § 296 Abs. 4; BGB § 158

 

Tenor

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 EStG für 2013 vom 18. April 2016 und der Gewerbesteuermessbescheid für 2013 vom 28. Oktober 2015, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2016, werden dahingehend geändert, dass die Erhöhung der Forderungen um 134.546,64 EUR rückgängig gemacht wird. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Beklagten übertragen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie ist mit steuerlicher Wirkung zum 31. Dezember 2011 unter Beitritt der Komplementärin B. GmbH im Wege des Formwechsels aus der C… GmbH hervorgegangen. Gegenstand des Unternehmens ist die private Arbeitsvermittlung.

Vorliegend ist der Zeitpunkt der Realisierung von Forderungen im Zusammenhang mit Erlösen aus der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Aktivierungs-/Vermittlungsgutscheinen streitig.

Die Klägerin vermittelte u. a. Arbeitsplätze an Arbeitssuchende, die im Besitz eines vom Jobcenter bzw. der Agentur für Arbeit ausgestellten Aktivierungs-/Vermittlungsgutscheins waren. Mit diesen Arbeitssuchenden schloss sie Arbeitsvermittlungsverträge.

Diese Verträge enthielten u. a. folgende Vereinbarungen (s. vom Beklagten als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 14. Juni 2016 vorgelegter Mustervertrag):

In § 1 (Vertragsgegenstand) war geregelt, dass dem Vermittlungsauftrag ein dem Arbeitssuchenden durch die Arbeitsagentur, die Arge oder einen anderen öffentlichen Träger gültig ausgestellter Vermittlungsgutschein bzw. Aktivierung- und Vermittlungsgutschein zugrunde lag. Die/der Arbeitssuchende verpflichtete sich, mit der Beauftragung zur Vermittlung eine Kopie des Vermittlungsscheins bzw. den gültigen Aktivierung- und Vermittlungsgutschein an den Arbeitsvermittler zu übergeben.

In § 3 (Pflichten des Arbeitssuchenden) war ausgeführt, dass der Arbeitssuchende im Falle des Abschlusses eines vermittelten Arbeitsvertrages verpflichtet war, alles nach Auffassung des Arbeitsvermittlers Erforderliche zu tun, um bei der Beschaffung der vom Arbeitgeber auszustellenden Vermittlungsbestätigung mitzuwirken. Bei erfolgreicher Vermittlung war dem Arbeitsvermittler ein gültiger Vermittlungsgutschein im Original binnen sieben Tagen nach Arbeitsbeginn auszuhändigen.

§ 4 (Vergütung) enthielt folgende Regelung:

„(1) Bei Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis gemäß Abs. 4 ist eine Gebühr in Höhe von Euro 2.000,00 fällig.

(2) Sofern der Arbeitssuchende nicht der in § 3 geregelten Überlassungspflicht des Vermittlungsgutscheines bzw. Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines im Original nachkommt, ist der Arbeitssuchende verpflichtet, die Vermittlungsgebühr zu zahlen.

(3) Grundsätzlich wird andernfalls die Vermittlungsgebühr durch die Agentur für Arbeit bzw. dem Träger der Grundsicherung getragen. Bei Überlassung des Vermittlungsgutscheines bzw. des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines im Original wird dem Arbeitssuchenden die Vermittlungsgebühr bis zur Auszahlung gestundet.

(4) Kommt durch die Bemühungen der Arbeitsvermittlung ein Beschäftigungsverhältnis zustande (Datum des Arbeitsvertrags-Abschlusses bzw., falls zeitlich früher, der Einstellungszusage maßgebend), zahlt die Bundesagentur für Arbeit der Arbeitsvermittlung bei Einlösung des Vermittlungsgutscheines bzw. des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines (Original) nach § 421g SGBIII bzw. § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III eine Vermittlungsgebühr, de...

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