Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Verlusten bei Überentnahmen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Bestimmung einer Überentnahme ist auf die Verhältnisse im einzelnen Betrieb abzustellen. Der Umstand, dass der Kläger im Streitjahr neben dem vorliegend streitgegenständlichen Einzelhandelsbetrieb noch einen weiteren Betrieb unterhalten hatte, sowie die Verhältnisse dieses Betriebes haben für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Bedeutung.

2. Nach Auffassung des Senats sind in die Ermittlung von Überentnahmen auch Veruste mit einzubeziehen.

3. Soweit ein Verlust nicht durch Gewinne oder Einlagen ausgegelichen wird, führt jede Entnahme zu einer Überentnahme.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.02.2012; Aktenzeichen X R 12/09)

BFH (Urteil vom 22.02.2012; Aktenzeichen X R 12/09)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des nach § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbaren und deshalb dem Gewinn wieder hinzuzurechnenden Betrages, insbesondere die Frage, welchen Einfluss ein Verlust auf dessen Bemessung hat.

Der Kläger betreibt einen Einzelhandel mit elektrischen Haushaltsgeräten und elektrotechnischen Erzeugnissen. Seine Gewinne ermittelt er nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG im Wege der Bilanzierung. Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr. Zum 31.12.1998 war das Kapital trotz eines Gewinns in Höhe von 147.813,10 DM auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen. Für die Jahre 1999 und 2000 ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen des Klägers die folgenden – zwischen den Beteiligten unstreitigen – Besteuerungsgrundlagen (Beträge in DM):

1999

2000

Jahresfehlbetrag lt. Bilanz

./. 11.057,14

./. 688.740,83

+ außerbilanzielle Zurechnungen

(Bewirtungskosten u Geschenke)

+ 1.375,83

+ 4.440,59

= steuerlicher Verlust vor Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG

./. 9.687

./. 684.300

Entnahmen

180.359

42.923

Einlagen

14.717

189.862

In den Gewinnermittlungen für 1999 und 2000 lt. Bilanz sind Schuldzinsen berücksichtigt, die teilweise auf Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens entfielen. Die DM-Beträge stellen sich wie folgt dar:

1999

2000

Schuldzinsen gesamt

54.455

115.652

./. Schuldzinsen Investitionsdarlehen

./. 22.300

./. 29.831

= Schuldzinsen ohne Inv.darlehen

32.155

85.821

Der Kläger hatte bis zu Beginn des Jahres 1999 noch einen weiteren Betrieb unter der Bezeichnung „Forschung und Entwicklung im Bereich Natur-, Ingenieur-, Agrarwissenschaften und Medizin” unterhalten. In diesem Betrieb hat er im Jahr 1999 – ebenfalls unstreitig – einen Gewinn in Höhe von 54.212 DM erzielt.

Das FA vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, die Verluste des Einzelhandelsbetriebs der Jahre 1999 und 2000 seien nach § 4 Abs. 4a EStG um nicht abzugsfähige Zinsen in Höhe von jeweils 9.923 DM zu korrigieren. Diesen Betrag hatte der Prüfer in der Anlage 6 zu seinem Bericht vom 09. Juli 2004, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ermittelt. Hiervon ausgehend änderte das FA gestützt auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) durch Änderungsbescheid vom 27. Juni 2005 die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer (ESt) zum 31.12.2000 und stellte diesen auf nunmehr 477.743 DM fest. Von dem mit 674.377 DM ermittelten Verlust aus Gewerbebetrieb des Jahres 2000 waren bei der Festsetzung der ESt 2000 insgesamt 103.273 DM und darüber hinaus bei der zu diesem Zwecke geänderten Festsetzung der ESt 1999 antragsgemäß im Wege des Verlustrücktrages 93.361 DM nach § 10 d EStG berücksichtigt worden.

Gegen den Bescheid zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2000 richtet sich die – mit Zustimmung des FA ohne Vorverfahren erhobene – Klage, mit der der Kläger einer Hinzurechnung von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG entgegentritt, soweit sie über einen Betrag von 1.122 DM hinausgeht.

Er vertritt die Auffassung, dass bei der Berechnung der nach § 4 Abs. 4a EStG hinzuzurechnenden Schuldzinsen Verluste bei der Feststellung der Überentnahmen nicht zu berücksichtigen seien, weil sie im Gesetz nicht aufgezählt seien. Zielsetzung des § 4 Abs. 4a EStG sei es, bei bestehendem betrieblichem Finanzierungsbedarf den Entzug von Liquidität für private Zwecke zu sanktionieren. Nur privat verursachte Vorgänge, nicht aber betrieblich bedingte Verluste dürften den Schuldzinsenabzug einschränken; eine Verpflichtung, Verluste durch Einlagen auszugleichen, bestehe nicht. Es sei wirtschaftlich nicht zu vertreten und überdies ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, in einem Verlustjahr ohne Entnahmen nur aufgrund des Verlusts zu einer Überentnahme mit einem entsprechenden Gewinnzuschlag zu gelangen. Die Finanzverwaltung (Hinweis auf Tz. 11-15 des BMF-Schreibens vom 22. Mai 2000 IV C 2 – S 2144 – 60/00, BStBl I 2000, 588) teile zwar im Grundsatz dies...

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