rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Berichtigung von vor dem 1.1.2004 ausgestellten Rechnungen. Voraussetzungen für den Vertrauensschutz nach § 176 AO bei der Änderung eines Umsatzsteuerbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Korrektur von Rechnungen, die vor dem 1.1.2004 ausgestellt worden sind, gilt die im Anschluss an die EuGH-Entscheidung v. 19.9.2000 (Az.: C-454/98) ergangene BFH-Rechtsprechung, nach der die Korrektur einer Rechnung die nachweisliche Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens durch den Vorsteuerabzug voraussetzt.

2. Ist vor Erlass eines Steuerbescheids, der geändert werden soll, die zum Nachteil des Steuerpflichtigen geänderte Rechtsprechung bereits zur Veröffentlichung frei gegeben und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden, steht die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO einer Änderung des Steuerbescheids nicht entgegen.

3. Bei Voranmeldungs- und Steueranmeldungs- bzw. -festsetzungsverfahren handelt es sich um verschiedene Verfahren. Der Vertrauensschutz des § 176 AO gilt daher nicht im Verhältnis Voranmeldung zu Steueranmeldung.

4. Der Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO setzt voraus, dass die höchstrichterliche Entscheidung, in der die Unvereinbarkeit zum Ausdruck kommt, zwischen dem Erlass des ursprünglichen Bescheids und der Entscheidung über die Korrektur liegt.

 

Normenkette

UStG 2000/2001 § 14 Abs. 2; UStG 2000/2001 § 14 Abs. 3; UStG 2000/2001 § 9 Abs. 1; UStG 2000/2001 § 4 Nr. 8a; UStG 2000/2001 § 17; UStG 2000/2001 § 18 Abs. 1 S. 1; UStG 2000/2001 § 18 Abs. 3; AO § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.04.2010; Aktenzeichen V B 89/09)

 

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2000 und 2001, jeweils vom 4. September 2006, werden dahingehend abgeändert, dass Umsatzsteuer für 2000 in Höhe von 2.940.334,40 DM (= 1.503.369,10 EUR) und für 2001 in Höhe von 2.830.307,50 DM (= 1.447.113,20 EUR) festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin tätigt u. a. Kreditgeschäfte im Sinne von § 4 Nr. 8 Buchst. a Umsatzsteuergesetz in der für die Streitjahre gültigen Fassung (UStG).

Im Jahre 2003 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt. Die Prüfer ermittelten dabei folgenden Sachverhalt (s. Bericht vom 10. November 2003, Betriebsprüfungsakten): Praxis der Klägerin sei es, bei der Gewährung von Krediten an gewerbliche Kunden regelmäßig gemäß § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG zu verzichten. Sehe sie bei einem dieser Kunden dessen Kapitaldienstfähigkeit (Leistung des Tilgungs- und Zinsdienstes) gefährdet, widerrufe sie den Verzicht für alle noch änderbaren Veranlagungszeiträume. Sie mache dann rückwirkend von der Steuerbefreiung Gebrauch und erteile eine berichtigte Sammelrechnung, ohne Umsatzsteuer auszuweisen, über den bisherigen Nettobetrag. Die Differenz in Höhe der ursprünglich ausgewiesenen Umsatzsteuer werde dem Darlehenskonto des Kunden bei ihr gutgeschrieben.

Zu den folgenden Kunden trafen die Prüfer für die Streitjahre die folgenden Feststellungen:

Berichtigung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung der Klägerin

Umsätze in DM

Umsatzsteuer in DM

•K 1 GbR

April 2000

15%:

4.805

720,75

16%:

27.412

4.386,04

•K 2

August 2000

15%:

70.122

10.518,39

16%:

1.238.164

198.106,39

• K 3 GmbH

August 2000

15%:

648.758

172.212,70

16%:

468.118

•K 4

September 2000

15%:

31.398

30.171,13

16%:

159.133

•K 5

Oktober 2000

15%:

3.580.270

1.012.012,51

16%:

2.968.575

•K 6

November 2000

15%:

3.753

3.471,77

16%:

18.180

•K 7

Dezember 2000

15%:

277.891

91.648,97

16%:

312.283

Summe in 2000

15%:

4.616.997

16%:

5.191.865

•K 8

Februar 2001

15%:

329.941

49.491,27

16%:

394.751

63.160,11

•K 9

März 2001

15%:

86.825

29.475,07

16%:

102.820

•K 10

April 2001

15%:

366.561

54.984,–

16%:

255.223

40.835,63

•K 11

August 2001

15%:

133.807

20.071,18

16%:

408.388

65.342,–

•K 12

August 2001

15%:

40.830

6.124,43

16%:

25.503

4.080,46

•K 13

September 2001

15%:

139.661

45.551,49

16%:

153.764

•K 14

September 2001

15%:

1.207.154

181.073,10

16%:

1.498.422

239.747,56

•K 15

November 2001

15%:

13.919

5.747,74

16%:

22.874

•K 16

Dezember 2001

15%:

52.379

16.337,98

16%:

53.007

Summe in 2001

15%:

2.371.077

16%:

2.914.752

Die Klägerin habe diese Kunden betreffende Umsatzminderungen in Umsatzsteuer Voranmeldungen geltend gemacht. Sie habe den Kunden mitgeteilt, dass nach § 17 UStG der Vorsteuerabzug zu reduzieren sei. Aufgrund der Insolvenz der Kunden seien diese aber nicht mehr in der Lage gewesen, die bereits von der Finanzverwaltung erstatteten Vorsteuerbeträge an diese zurückzuzahlen. Lediglich in einem Fall sei eine teilweise Rückzahlung festgestellt worden.

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Februar 2001 V R 23/00, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2003, 673 wirke die Rücknahme des Verzichts auf die Steuerbefreiung zwar auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Umsatzes zurück. Die Klägerin schulde die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer abe...

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