Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbliebene Berücksichtigung eines Verlustanteils rechtfertigt keinen Billigkeitserlass nach Ablauf der Festsetzungsfrist des § 171 Abs. 10 AO; keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht. Erlass von Einkommensteuer 1983

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch wenn die unterbliebene Berücksichtigung eines Verlustanteils auf innerorganisatorische Mängel der am Verfahren beteiligten Finanzbehörden zurückzuführen ist, rechtfertigt dies keinen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nach Eintritt der Festsetzungsverjährung.

2. Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG begründet für den Steuerpflichtigen keinen Anspruch darauf, dass das FA einen in einem anderen Verwaltungsverfahren gemachten Fehler wiederholt und ihn in gleicher Weise rechtswidrig begünstigt.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 227, 171 Abs. 10; GG Art. 3

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

III. Der Streitwert wird auf 13.194, – DM = 6.745,99 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt verpflichtet ist, die Einkommensteuer 1983 nach Ablauf der Festsetzungsverjährung aus sachlichen Billigkeitsgründen in Höhe von 13.194 DM zu erlassen.

Die im Jahr 1926 geborene Klägerin betrieb im streitigen Veranlagungszeitraum 1983 in M. eine Praxis für Allgemeinmedizin. Sie wohnte dort zunächst im L. und zuletzt im Hweg. Am 24. Januar 1986 zog sie nach S., M. Str. 31 a um, wo sie noch heute wohnt.

Sie war an mehreren Verlustzuweisungsgesellschaften beteiligt; u. a. war sie Kommanditistin der W. GmbH & Co. Grundstücksverwaltungs KG in B. (im Folgenden W-KG). Nach einer dem beklagten Finanzamt vom Finanzamt für Körperschaften B. (Betriebsfinanzamt) übersandten Mitteilung (sog. ESt-4b-Mitteilung) vom 07. Dezember 1984 entfiel auf die Klägerin aus dieser Beteiligung aufgrund des Feststellungsbescheides vom 15. November 1984 für 1983 ein Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 4.131,80 DM (Einkommensteuerakte 1983 Bl. 35). Gegen diesen Feststellungsbescheid hatte die W-KG Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Nach einer Mitteilung des Betriebsfinanzamts vom 12. Februar 1985 wurde die Aussetzung der Vollziehung am 30. Januar 1985 gewährt mit der Maßgabe, dass bei der Berechnung der auszusetzenden Einkommensteuer der Klägerin für 1983 von einem Verlustanteil von 31.072,94 DM auszugehen war (Einkommensteuer-Akte 1983 Bl. 36).

In ihrer am 15. Februar 1985 beim beklagten Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung 1983 machte die Klägerin aus der genannten Beteiligung entsprechend einer Mitteilung der W-KG vom 19. Juni 1984 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 32.300 DM geltend. Im Einkommensteuerbescheid 1983 vom 13. November 1985 erkannte das Finanzamt nur den o.a. vom Betriebsfinanzamt mitgeteilten Verlust in Höhe von 4.132 DM an und setzte die Einkommensteuer 1983 auf 48.174 DM fest. Die Vollziehung dieses Bescheides setzte es entsprechend der o.a. Mitteilung des Betriebsfinanzamts vom 12. Februar 1985 durch Verfügung vom 03. Dezember 1985 in Höhe von 15.374 DM bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des o.a. Einspruchsverfahrens der W-KG aus.

Das beklagte Finanzamt änderte den Einkommensteuerbescheid 1983 aufgrund geänderter Feststellungsbescheide anderer Beteiligungen der Klägerin durch Bescheide vom 09. Juli 1986 und 23. August 1989 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO und setzte die Einkommensteuer für 1983 in dem zuletzt genannten Bescheid auf 61.212 DM fest. Obwohl die Klägerin bereits am 24. Januar 1986 nach Staufen umgezogen war, ist in dem Änderungsbescheid vom 09. Juli 1986 die Anschrift „von Lweg 5, M.” Steuernummer und in dem Änderungsbescheid vom 23. August 1989 die Anschrift „Lweg 15, M.” Steuernummer angegeben. Unter ihrer jetzigen Anschrift in Staufen hat die Klägerin die Steuernummer.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens der W-KG fand bei dieser eine Betriebsprüfung für die Jahre 1983 bis 1986 statt. Das Betriebsfinanzamt änderte die Feststellungsbescheide für diese Veranlagungszeiträume durch Sammeländerungsbescheid vom 24. Juni 1993. Danach ergab sich für die Klägerin für das Jahr 1983 ein verrechenbarer Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 27.744 DM. Die betreffende Verlustmitteilung befindet sich nicht bei den jahrgangsweise geführten Einkommensteuerakten der Klägerin in dem Band für das Jahr 1983.

Am 25. März 1996 nahm die W-KG ihren Einspruch gegen den Feststellungsbescheid 1983 zurück. Das Betriebsfinanzamt teilte daraufhin unter dem Datum vom 10. April 1996 mit, dass die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides mit Wirkung vom 25. März 1996 aufgehoben worden sei. Diese für die Steuerakten der Klägerin bestimmte Mitteilung adressierte das Betriebsfinanzamt mit einem maschinell gefertigten Aufkleber wie folgt (siehe Einkommensteuerakte 1983 Bl. 108):

Dortige Steuernummer

Finanzamt über die Oberfinanzdirektion Freiburg

Frau Dr. F.

Lweg 15

M.

Diese Mitteilung wurde vom Finanzamt an das beklagte Finanzamt weitergeleitet,...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge