Entscheidungsstichwort (Thema)

Produktionserstattung Zucker. Einreihung eines Multi-Vitamin-Präparats in die Kombinierte Nomenklatur

 

Leitsatz (amtlich)

1. Pharmazeutische Erzeugnisse im Sinne der Pos. 3004 KN sind Arzneiwaren zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken. Für die Einreihung in die KN kommt es auf objektive Merkmale und Eigenschaften der Ware an; es reicht nicht aus, dass einer Ware eine prophylaktische oder therapeutische Wirkung lediglich zugeschrieben wird. Erforderlich ist, dass die zur Verhütung oder Behandlung bestimmter Krankheiten eingesetzten Wirkstoffe in der Ware in einer Weise und Menge vorhanden sind, die über das für die Ernährung notwendige oder üblicherweise empfohlene Maß deutlich hinausgehen, und die der Mensch in dieser Dosierung nicht selbst erzeugen kann.

2. Nicht zu den Arzneimitteln gehören Ergänzungslebensmittel, also Erzeugnisse, die Vitamine und Mineralsalze enthalten und zur Erhaltung der Gesundheit oder des Wohlbefindens dienen, sofern sie keine Angaben über die Verhütung oder Behandlung von Krankheiten enthalten.

3. Ein Multivitaminpräparat, das nach dem Beipackzettel Mangelerscheinungen (Rachitis) vorbeugt, ist nicht unter die Pos. 3004 KN einzureihen, denn Mangelerscheinungen sind keine Krankheiten. Es besteht daher kein Anspruch auf Produktionserstattung hinsichtlich des bei der Herstellung eines solchen Tonikums im Sinne des Kap. 22 KN verwendeten Zuckers.

 

Normenkette

KN Pos 3004; KN Kap 22; AMG § 2 Abs. 1 Nr. 1; EWGV 1010/86

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.11.2003; Aktenzeichen VII R 58/02)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Einreihung eines Multi-Vitamin-Präparats in die Kombinierte Nomenklatur (KN).

Die Klägerin stellt das Vitamin-Mineralien-Präparat XXX … her. Als Anwendungsgebiete für XXX … wurden im früher beigefügten Beipackzettel angegeben: „Schützt vor Vitaminmangelerscheinungen; stärkt die Abwehrkräfte; beugt Entwicklungs- und Wachstumsstörungen und der Rachitis vor; schützt vor körperlichen und geistigen Erschöpfungszuständen wie Konzentrationsschwäche und Schulmüdigkeit; beugt Appetitlosigkeit und Stoffwechselstörungen vor; verkürzt die Erholungszeit nach überstandenen Krankheiten (Rekonvaleszenzzeit); fördert die natürlichen Hautfunktionen. Traditionell angewendet zur Stärkung oder Kräftigung, zur Besserung des Befindens, zur Unterstützung der Organfunktion, zur Vorbeugung”. „Die tägliche Gabe von XXX … sichert eine umfassende Vitaminversorgung des wachsenden Organismus und erweist sich als besonders wirkungsvoll, wenn zusätzliche Belastung eine gesteigerte Stoffwechselaktivität und damit einen erhöhten Vitaminbedarf zur Folge haben. XXX … beugt der Rachitis sowie Entwicklungs- und Wachstumsstörungen vor, fördert Knochenaufbau und Zahnbildung, stärkt die Abwehrkräfte bei akuten und chronischen Infektionskrankheiten, beugt Stoffwechselstörungen und Appetitlosigkeit vor, sichert den normalen Reaktionsablauf im Nervensystem und fördert die natürlichen Hautfunktionen”.

Zur Herstellung des Präparats verwendet die Klägerin Zucker. Für die Verwendung des Zuckers wurden ihr auf der Grundlage der damals geltenden Verordnung (EWG) Nr. 1010/86 des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Produktionserstattung bei der Verwendung von bestimmten Erzeugnissen des Zuckersektors in der chemischen Industrie (Amtsblatt der EG Nr. L 94 vom 09. April 1986, S. 9) Produktionserstattungen gewährt, sofern sie der Herstellung pharmazeutischer Erzeugnisse des Kapitals 30 des Gemeinsamen Zolltarifs bzw. der KN diente.

Am 21. August und 06. November 1996 beantragte die Klägerin Produktionserstattung Zucker für die Herstellung des pharmazeutischen Erzeugnisses XXX … und leistete hierfür Sicherheit durch Bankbürgschaft.

Die Untersuchung des Präparats durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt der Oberfinanzdirektion Köln (ZPLA) führte zu dem Ergebnis, XXX … sei kein pharmazeutisches Erzeugnis des Kapitels 30 KN (Arzneiware der Position 3004 KN), sondern ein Tonikum des Kapitels 22 KN. Auf dem Beipackzettel befänden sich Angaben über die Anwendungsgebiete (Indikationen), zur Dosierung sowie zur Vitaminzusammensetzung und zum Gehalt an Calciumverbindungen. Die Indikationen seien allgemein gehalten und überwiegend auf die Erhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens abgestellt. Angaben über die Verhütung oder Behandlung einer Krankheit stünden nicht im Vordergrund. Die tägliche Aufnahme an Vitaminen und Calcium bei Einnahme des Präparats liege in einem Bereich, der auch durch die normale Ernährung abgedeckt werden könne. Somit handele es sich bei der Ware um ein Ergänzungslebensmittel des Kapitels 22 KN. Darauf, dass das Präparat die Vitamine A und D enthalte, komme es zolltariflich nicht an (vgl. das ZPLA-Gutachten vom 11. März 1997 und die ergänzende Stellungnahme der ZPLA vom 02. September 1997).

Mit Bescheid vom 29. April 1997 stellte das beklagte Hauptzollamt ...

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