Entscheidungsstichwort (Thema)

Der Wert einer Nießbrauchs-/Wohnrechtsbelastung an einem Grundstück erhöht im Erwerbsfalle (hier: Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren) weder als zusätzliche Anschaffungskosten die Abschreibungsbemessungsgrundlage i.S.d. § 7 Abs. 4 EStG, noch führt er für den Erwerber zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Einkommensteuer 1975. (StNr.: …)

 

Leitsatz (amtlich)

Aufbauend auf der gefestigten BFH-Rechtsprechung zum Vorbehaltsnießbrauchs (vgl. BFH-Urteil vom 28.07.1981, VIII R 124/76, BStBl. II 1982 S. 378) stellt im Wege des Erst-Recht-Schlusses auch eine bereits vor Übertragung vorhandene Nieß-/Wohnrechtsbelastung keine Gegenleistung des Erwerbers dar, die für Abschreibungszwecke zu einer Erhöhung der Anschaffungskosten und zu – hiermit betragsmäßig korrespondierenden – Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung führen könnte, da der Erwerber insoweit keine zusätzlichen Aufwendungen erbringt, sondern von Anfang an nur belastetes Eigentum erlangt.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4, § 21 Abs. 1

 

Tenor

Unter Abänderung des Einkommensteuer-Bescheids 1975 vom 3. Dezember 1981 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. August 1982 wird die Einkommensteuer von 1.224.702 DM um 43.008 DM auf 1.181.694 DM herabgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil wird hinsichtlich der Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages von 4.200 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

A.

Streitig ist die Höhe der Anschaffungskosten und der Einnahmen aus einem mit einem Nießbrauch und einem Wohnrecht belasteten Wohngrundstück, das durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben wurde.

Der Kläger erwarb mit Zuschlagsbeschluß des Amtsgerichts … vom 7. April 1975 im Zwangsversteigerungsverfahren das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück Hermann-Sielcken-Straße …. Er erhielt den Zuschlag auf ein Bargebot von 350.000,– DM. Ein zugunsten von Frau T. auf Lebenszeit unentgeltlich eingeräumtes, im Grundbuch eingetragenes Wohn- und Nießbrauchsrecht blieb bestehen. Die Berechtigte verstarb am 3. März 1976.

In seiner Einkommensteuer-Erklärung ermittelte der Kläger die Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung (AfA) wie folgt:

Bargebot

350.000,– DM

Kapitalwert des Nießbrauchs

77.186,– DM

Anschaffungsnebenkosten

37.857,– DM

Anteil Grund und Boden

./.

200.000,– DM

265.043,– DM.

Einnahmen aus dem Grundstück wurden unter Hinweis auf das lebenslängliche Nutzungsrecht nicht erklärt. Der Beklagte folgte zunächst in der unter Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Steuerfestsetzung den Angaben des Klägers. Im Anschluß an eine Außenprüfung setzte er den Anteil Grund und Boden mit 325.530,– DM und dementsprechend die Bemessungsgrundlage für die Gebäude-AfA mit 139.513,– DM an. Außerdem rechnete er den Wert des Nießbrauchs von 77.186,– DM unter Hinweis auf eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster vom 29. Juni 1981 – S 2227-76-St 11-31 – den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu (geänderter Einkommensteuer-Bescheid 1975 vom 3. Dezember 1981). Der Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 11. August 1982 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger trägt vor, er habe ein von vornherein mit dem Nießbrauch belastetes Grundstück erworben. Da er den Nießbrauch nicht bestellt habe, könne dessen Wert nicht als Teil der Gegenleistung den Anschaffungskosten zugerechnet werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe für den Fall des Vorbehaltsnießbrauchs entschieden, daß der Nießbrauch keine Gegenleistung des Erwerbers des belasteten Grundstücks darstelle (Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Dies müsse erst recht gelten, wenn der Nießbrauch im Zeitpunkt der Veräußerung des Grundstücks schon bestanden habe. Daraus folge zugleich, daß der Erwerber mangels Gegenleistung auch keine steuerpflichtigen Einnahmen aus der Bestellung des Nießbrauchs erziele.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Einkommensteuer-Bescheids 1975 vom 3. Dezember 1981 die Bemessungsgrundlage für die AfA aus Anschaffungskosten von 387.857,– DM zu ermitteln sowie die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung um 77.186,– DM zu kürzen und dementsprechend die Einkommensteuer herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, zu den Anschaffungskosten eines ersteigerten Grundstücks gehörten auch Verpflichtungen, die der Ersteigerer zu übernehmen habe. Die zusätzliche wirtschaftliche Belastung bei Übernahme eines Nießbrauchs bestehe darin, daß der Ersteigerer für die Dauer des Nutzungsrechts keine Einnahmen erziele. Das BFH-Urteil BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378 sei nach einem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 22. Juni 1982 (BStBl I 1982, 629) über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuw...

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