Entscheidungsstichwort (Thema)

Beurteilung von Werbetexten durch Philosophen als gewerbliche Tätigkeit. Verwirkung des Erlasses von Gewerbesteuermessbescheiden wegen geänderter Einkünftequalifikation. Gewerbesteuermessbetrag 1990 bis 1996

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Besteht die Aufgabe eines promovierten Philosophen und Zeitungswissenschaftlers im wesentlichen darin, vorgefertigte Texte ausschließlich für die Eigenwerbung eines Unternehmens mündlich zu beurteilen bzw. zu überarbeiten, liegt weder eine künstlerische, eine schriftstellerische noch die einem beratenden Betriebswirt ähnliche zu Einkünften aus selbständiger Arbeit führende Tätigkeit vor.

2. Wird in einem Betriebsprüfungsbericht festgestellt, dass eine Tätigkeit als freiberuflich zu qualifizieren ist und stellt sich heraus, dass es sich um eine gewerbliche Tätigkeit handelt, ist der Erlass von Gewerbesteuermessbescheiden nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwirkt, wenn bereits für die Folgejahre Einkommensteuerbescheide mit einer freiberuflichen Qualifikation der Tätigkeit ergangen sind.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; GewStG § 2; BGB § 242

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 12.11.2003; Aktenzeichen XI B 162/03)

BFH (Beschluss vom 12.11.2003; Aktenzeichen XI B 30/03)

 

Tenor

1. Die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1990, 1991, 1992 jeweils vom 15.08.1997 und 1993 vom 22.08.1997 sowie die diesbezügliche Einspruchsentscheidung vom 02. Juli 2001 werden aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens sind dem Kläger zu 37 % und dem Beklagten zu 63 % aufzuerlegen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des mit Kostenfestsetzungsbeschluss angesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) in den Streitjahren 1990–1996 einer zur Gewerbesteuerpflicht führenden gewerblichen oder einer nicht der Gewerbesteuer unterliegenden selbständigen Tätigkeit nachgegangen ist.

Der Kl. wurde im Jahre 1915 geboren. Nach dem Abitur im Jahre 1934 studierte er Geschichte, Philosophie und Zeitungswissenschaften. Im Jahr 1940 promovierte er im Fach Philosophie. Hieran anschließend war er in mehreren Wissenschaftsbereichen schriftstellerisch tätig. Von 1949 bis 1955 war er Leiter des Redaktionsbüros der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung des Pharmaunternehmens … (B & S). Danach war er als Werbeberater u. a. für B & S tätig. Im Jahre 1967 absolvierte er eine Ausbildung zum „Werbeberater BDW”; er ist Mitglied im „… (BDW)”.

Mit Datum vom 06.07.1965 schloss der Kl. mit B & S einen Beratungsvertrag ab. Hierin wurde vereinbart, dass der Kl. „in seiner Eigenschaft als freiberuflicher Unternehmensberater” ab 01.03.1965 die Abteilung Verkauf Ausland beraten sollte.

Sein Aufgabenbereich umfasste danach folgende Tätigkeiten:

  • • Entwicklung von Ideen und Slogans für die Gestaltung der Werbung für pharmazeutische Spezialitäten;
  • • Erteilung von Arbeitsanweisungen an Grafiker, Fotografen und andere Gestalter im Auftrag von B & S sowie Beaufsichtigung der Durchführung dieser Anweisungen; die Auswahl der Gestalter sollte nach vorheriger Absprache zwischen den Vertragsparteien erfolgen.
  • • Formulierung, Überarbeitung und drucktechnische Gestaltung von Texten für Werbe- und Informationsmaterial. Er sollte sich zu diesem Zweck soweit als möglich Ausdrucke und Korrekturabzüge vorlegen lassen. Auswahl der Lieferanten, das Lesen und die Druckfreigabe war dabei ausschließlich Sache von B & S.

Als Beratungshonorar wurden DM 1.200,– monatlich vereinbart, zuzüglich Autorenhonorar für jedes gedruckte Exemplar sämtlicher Werbebroschüren und sonstiger Werbedrucksachen. Des weiteren wurde vereinbart, dass die vom Kl. gelieferten Ideen, Slogans, Texte und Gestaltungen in das alleinige Eigentum und Verfügungsrecht von B & S übergehen sollten. In den 60er – Jahren hatte der Kl. für B & S ein neues Firmenlogo entwickelt und das Firmenimage mitgestaltet.

Daneben war der Kl. bis zum Jahr 1989 in seiner Einzelfirma „S.” unstreitig gewerblich tätig.

Mit Datum vom 04.05.1992 schloss der Kl. mit der Firma … (BM) einen neuen Beratervertrag ab. Vertragsgegenstand des ab 01.07.1992 in Kraft getretenen Vertrages war die Beratung von BM auf den Gebieten der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Darin verpflichtete er sich, zu vorgelegten Texten und sonstigen Entwürfen ggf. Korrekturvorschläge und Alternativkonzepte vorzulegen. Hinsichtlich der inhaltlichen und zeitlichen Gestaltung seiner Tätigkeit war der Kl. frei. Zur Abgeltung sämtlicher im Rahmen dieses Vertrages erbrachten Leistungen war ein Pauschalhonorar in Höhe von DM 13.000,– im Monat zuzüglich eventueller Mehrwertsteuer vereinbart. Des Weiteren sollten die im Rahmen der in diesem Vertrag geregelten Beratung erarbeiteten Ergebnisse, insbesondere Urheberrechte, Erkenntnisse...

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