Entscheidungsstichwort (Thema)

Härteausgleich bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach Art. 15a DBA-Schweiz

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein erweiterter Härteausgleich nach § 46 Abs. 5 EStG 2010 i. V. m. § 70 EStDV ist nach Art. 3 Abs. 1 GG auch dann zu gewähren, wenn von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach DBA-Schweiz kein Steuerabzug zugunsten des deutschen Steuerfiskus vorgenommen wurde.

 

Normenkette

EStG 2010 §§ 46, 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 1; EStDV § 70; DBA CHE Art. 15a; AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, § 348; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids vom 7. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2012 wird die Einkommensteuer auf –– festgesetzt.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die für den Veranlagungszeitraum 2010 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war im Streitjahr bei der in der Schweiz in T/Kanton A ansässigen T-AG (im Folgenden: T-AG bzw. Arbeitgeberin) nichtselbständig tätig. Im Jahr 2007 wurde der Kläger zum Prokuristen mit dem Zeichnungsrecht: Kollektiv zu zweien ernannt. Er erzielte aus seiner Tätigkeit für die T-AG einen „Bruttolohn total” in Höhe von – CHF.

Dem Kläger war am 15. September 2000 vom Migrationsamt A/CH die Grenzgängerbewilligung EU/EFTA G für die ganze Schweiz erteilt worden, die auch im Streitjahr gültig war (Hinweis auf Art. 4 der Verordnung über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation vom 22. Mai 2002 [Systematische Sammlung des Bundesrechts – SR – 142.203, www.admin.ch ≫ direkt zu Bundesblatt bzw. Gesetzgebung] i.V.m. Art. 6, 7 und 28 ff. Anhang I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg vom 21. Juni 1999, das am 2. September 2001 vom Bundestag als Gesetz beschlossen worden [BGBl II 2001, 810] und am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist [FZA bzw. auch: Abkommen-EG-Schweiz]).

Der Kläger unterlag mit seinen Einkünften aus nicht/unselbständiger Arbeit als Grenzgänger gemäß Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888; BStBl I 1993, 928) – DBA-Schweiz 1992 – im Inland der Besteuerung.

Die Arbeitgeberin des Klägers behielt vom Bruttolohn total von – CHF gemäß Art. 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Schweiz 1992 4,5 % (= – CHF, s. Tz. 12 des Lohnausweises und Art. 3 Abs. 4 des Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Dezember 1992 zum DBA-Schweiz 1971 vom 30. September 1993, BGBI II 1993, 1886, BStBl I 1993, 927 – Zustimmungsgesetz–) Quellensteuer(n) ein und führte diese an die Eidgenössische Steuerverwaltung – ESTV – des Kantons B ab. Die Abführung erfolgte monatlich (Hinweis auf die monatlichen Lohnabrechnungen für das Streitjahr).

Welche (Schweizerischen) Steuerarten (Bundes-, Kanton- und Gemeindesteuern) von der abgeführten Quellensteuer betroffen sind, ist den Angaben im Lohnausweis nicht zu entnehmen (wegen weiterer Einzelheiten zum Quellensteuerabzug in der Schweiz [aus Schweizerischer Sicht]: Brand/Bechthold in: Weigell/Brand/Safarik, Investitions- und Steuerstandort Schweiz, 3. Aufl., 2012, A. II. 2.3.1 [Seite 15], bzw. im Kanton Thurgau: Merkblatt der kantonalen Steuerverwaltung Thurgau, Grenzgänger über die Besteuerung an der Quelle von Grenzgängern in Deutschland/Österreich und Arbeitsort im Kanton Thurgau; insgesamt zur [Schweizerischen] Quellensteuer: Steuerinformation, herausgegeben von der Schweizerischen Steuerkonferenz –SSK–, Die Besteuerung an der Quelle; Eidgenössische Steuerverwaltung, Schweizerisch-deutsches Doppelbesteuerungsabkommen, Merkblatt für deutsche Grenzgänger in der Schweiz, Locher/Maier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland –im Folgenden: Locher u.a.–, Band 1, A 3.3.9 Anhänge 1-3).

Zuvor war dem Kläger vom Beklagten (dem Finanzamt – FA –) am 21. Oktober 2009 die für das Streitjahr wirksame Bescheinigun...

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