rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass von Einfuhrumsatzsteuer nach Art 236 ZK. Begriff der „Einfuhr im Inland” i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG auch für nicht in den inländischen Wirtschaftskreislauf eingegangene Ware erfüllt. Nachweis für die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bezüglich des Erlasses von Einfuhrumsatzsteuer ist in Fällen, in denen von einer Einfuhr i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG im Inland auszugehen ist, über § 5 Abs. 3 UStG und § 14 EUStBV die Vorschrift des Art. 236 ZK sinngemäß anzuwenden.

2. Wann von einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbaren „Einfuhr im Inland” auszugehen ist, folgt aus § 1 Abs. 2 UStG sowie Art. 39, Art. 60 und 61 MwStSystRL. Der Begriff der „Einfuhr im Inland” setzt nicht voraus, dass der Gegenstand in den inländischen Wirtschaftskreislauf eingegangen ist, und kann daher auch erfüllt sein, wenn Waren aus der Schweiz über den Landweg mit dem LKW nach Deutschland eingeführt und dort vom Zollamt jeweils zum freien Verkehr mit unmittelbar anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (Verfahren 4200) nach Großbritannien abgefertigt worden sind (Abgrenzung zum EuGH-Urteil v. 2.6.2016, C-226/14 und C-228/14, ECLI:EU:C:2016:405. in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig).

3. Bei Gegenständen, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a) verwendet werden, ist die Angabe der USt-IdNr. des Erwerbers und des Lieferers bzw. seines Fiskalvertreters in der Zollanmeldung Voraussetzung für eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer im Zeitpunkt der Einfuhr (vgl. Urteil des FG München v. 26.10.2010, 11 K 47/07).

4. Die Steuerbefreiung ist trotz Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten zu gewähren, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Die zur steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ergangene Rspr. ist insoweit auf die Beurteilung der Steuerfreiheit bei der Einfuhr nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG übertragbar, als eine Erstattung oder ein Erlass der Einfuhrumsatzsteuer nicht unter Hinweis auf formale Verstöße zum Zeitpunkt der Einfuhr abgelehnt werden kann, wenn (nachträglich) der Nachweis einer im Anschluss durchgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht wird (vgl. Urteil des FG München v 26.10.2010, 11 K 47/07).

 

Normenkette

ZK Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 2; UStG § 1 Abs. 2, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1-3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. a, § 21 Abs. 2, §§ 22d, 1 Abs. 1 Nr. 4; EUStBV § 14; MwStSystRL Art. 39, 60-61

 

Tenor

1. Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheids (AT xxx) vom 8. Februar 2013 und der Einspruchsentscheidung (RL xxx) vom 7. April 2015 verpflichtet, die mit Einfuhrabgabenbescheid (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer für folgende Einfuhrvorgänge

Position

Nacherhebung zu Registrierkennzeichen

Betrag in EUR

1

[…

9.454,20

2

11.935,77

4

8.361,78

5

11.194,00

6

6.136,47

8

4.450,62

9

10.182,49

10

4.420,48

14

7.254,59

16

7.486,30

17

7.771,50

18

9.696,55

19

4.491,78

20

8.127,99

44

13.821,66

45

4.458,60

54

6.390,66

55

6.762,21

58

6.316,35

59

4.161,36

62

7.118,90

63

11.963,91

65

10.774,95

66

12.261,15

68

6.151,10

73

6.883,37

74

8.421,14

75

5.638,50

77

4.119,79

78

55,18

83

70,36

84

…]

1.566,27

– insgesamt also i.H.v. 227.899,98 EUR – zu erlassen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 65% und der Beklagte zu 35%.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Erlass von Einfuhrabgaben.

Die Klägerin ist ein auf dem Gebiet des […] – baus tätiges Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. In den Jahren 2007 bis 2011 war sie an der Errichtung des Objektes X-Market einer Wohn- und Geschäftsimmobilie in London, beteiligt. In diesem Zusammenhang meldete sie, vertreten durch die T-Spedition, Schweiz, im Jahr 2009 beim Zollamt X mehrfach Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit unmittelbar anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (Verfahren 4200) an. Hierbei wurde als Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Anmelders jeweils die USt-IdNr. xxx der Firma B, Y / Deutschland, die als Fiskalvertreterin der Klägerin nach § 22a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auftrat, angegeben. Das Zollamt gab die Waren zunäch...

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