Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerliche Folgen der Rückabwicklung von Darlehensverträgen wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Leistet die Bank im Rahmen der Rückabwicklung von Darlehensverträgen wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung einen Nutzungsersatz für die von den Darlehensnehmern erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, handelt es sich insoweit um Einnahmen aus Kapitalvermögen.

2. § 12 Nr. 1 EStG steht der Besteuerung des Nutzungsersatzes nicht entgegen, auch wenn die Darlehen zur Finanzierung einer eigengenutzten Immobilie aufgenommen worden waren.

3. Die an die Bank als Wertersatz für die Nutzung des zur Verfügung gestellten Kapitals gezahlten Zinsen können nicht als Werbungskosten abgezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 9, § 12 Nr. 1; BGB § 346

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.11.2023; Aktenzeichen VIII R 13/21)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger steuerpflichtige Kapitalerträge erzielt haben und falls ja, in welcher Höhe.

Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2017 mit ihren erzielten Einkünften antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Zur Finanzierung eines Umbaus ihrer eigengenutzten Immobilie nahmen die Kläger im Jahr 2004 zwei Darlehen bei einer Sparkasse in Höhe von 30.000 Euro zu einem Zinssatz von 4,9% p.a. (Kontonummer abc) und 80.000 Euro zu einem jährlichen Zinssatz von 4,4% p.a. (Kontonummer xyz) in Anspruch. Seit 2012 nutzt der Kläger ein Büro im Haus für sein Einzelunternehmen und macht 10% der entrichteten Zinsen aus diesen Darlehen als Betriebsausgaben geltend. Mit Schreiben vom 15. Juni 2016 widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss dieser Darlehnsverträge gerichteten Vertragserklärungen, da sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden seien. Mit Schreiben vom 13. Februar 2017 erkannte die Bank schließlich die Widerrufe an. Am 25. April 2017 teilte sie den Klägern mit, die von ihr gezogenen und zu ersetzenden Nutzungen betrügen 5.144 Euro (brutto) für das Darlehen xyz sowie 1.579 Euro (brutto) für das Darlehen abc (Bl. 54 ff Einkommensteuerakte), zusammen 6.723 Euro. Diese Beträge wurden den Klägern abzüglich Kapitalertragsteuern erstattet. Hinsichtlich der beigefügten Berechnungen erläuterte die Sparkasse, es sei bei beiden Darlehen Fremdgeld aus Kundeneinlagen ausgereicht worden, wodurch Refinanzierungskosten angefallen seien. Mit den Zinszahlungen der Kläger seien die dadurch entstandenen Kosten finanziert worden, so dass zur Nutzung nur die aus den Zahlungsströmen resultierenden Margen verblieben seien. Zugleich teilte die Bank mit, „unter Berücksichtigung der im Rahmen der Rückabwicklung zu erbringenden gegenseitigen Zahlungsströme” hätten die Kläger die Darlehensrestvaluta in aktueller Höhe (42.764,40 Euro bzw. 14.663,47 Euro) zurückzuzahlen.

Im Nachgang zu diesem Anerkenntnis führten die Kläger einen Rechtsstreit mit der Sparkasse über die Höhe des von dieser zu zahlenden Nutzungsersatzes, der mit einem Vergleich vor dem Landgericht A beendet wurde, in dem sich die Sparkasse verpflichtete, weitere 6.000 Euro zu zahlen, was sie im Jahr 2018 tat.

Im Einkommensteuerbescheid vom 16. Oktober 2018 wurde der von der Sparkasse gezahlte Nutzungsersatz in Höhe von 6.723 Euro als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt und dies im Bescheid entsprechend erläutert. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen wurden mit dem Abgeltungsteuersatz gemäß § 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) besteuert.

Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein und wandten sich u.a. mit Bezug auf höchstrichterliche Rechtsprechung gegen die Versteuerung des Nutzungsersatzes sowie gegen das gesetzliche Abzugsverbot für Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

Am 4. Januar 2019 erging ein aus hier nicht streitigen Gründen geänderter Einkommensteuerbescheid 2017. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2019 zurückgewiesen. Am 7. Juni 2019 erhoben die Kläger dagegen Klage.

Sie sind der Auffassung, dass der von der Sparkasse gezahlte Betrag nicht der Kapitalertragsteuer unterliege, da es sich nicht um einen Ertrag, sondern um eine Rückerstattung handele.

Durch den Widerruf seien die Darlehen in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt worden, §§ 357, 346 Bürgerliches Gesetzbuch (in der 2004 gültigen Fassung; BGB a.F.). Das bedeute, dass durch den Widerruf nicht mehr die Rechte und Pflichten aus den Darlehensverträgen bestünden, sondern wechselseitige Pflichten aus der Rückabwicklung der Darlehensverträge. Der Darlehensnehmer schulde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Berücksichtigung von Tilgungsleistungen sowie Wertersatz für die Gebrauchsvorteile, der Darlehensgeber dagegen die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen sowie die Herausgabe von Nutzungsersatz.

In der Zahlung der Sparkasse seien sämtl...

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