Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhaltungsaufwand oder Herstellungskosten bei grundlegender Überholung nicht mehr bewohnbarer Räume; erstmalige Schaffung einer befestigten Zufahrt als Gebäudeherstellungskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden im Rahmen umfangreicher, bautechnisch ineinander greifender Baumaßnahmen (Kosten rd. 215000 DM) an nicht mehr bewohnbaren Räumlichkeiten u.a. durch Versetzen von Mauern neue Räume geschaffen bzw. Räume anders zugeschnitten, durch den Anbau von zwei Erkern die Wohnfläche geringfügig erweitert sowie die Lichtverhältnisse im Haus verbessert, die Außenwände isoliert und mit Holz verkleidet, Fenster, Türen, Bodenbeläge, Versorgungsleitungen erneuert, ein neues Badezimmer, neue Deckenverkleidungen und eine neue Heizungsanlage eingebaut sowie sämtliche Außenmauern durch umlaufende Betonmauern gestützt, so führen die Aufwendungen einheitlich -aufgrund der Erweiterung der Bausubstanz des Gebäudes, der Vergrößerung der Wohnfläche sowie der deutlichen Erhöhung des Gebrauchswerts und der Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes- zu Herstellungskosten und nicht zu sofort voll abziehbarem Erhaltungsaufwand.

2. Die Vorschriften über die Wohnflächenberechnung nach der Zweiten Berechnungsverordnung sind keine ausschlaggebenden Beurteilungskriterien für die Frage, ob die Gebäudesubstanz i.S. der einkommensteuerrechtlichen Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand wesentlich vermehrt worden ist oder nicht.

3. Die Aufwendungen für die erstmalige Erstellung einer befestigten Zufahrt zum Gebäude - Bitumendecke auf einer zuvor planierten Schottergrundlage anstelle des zuvor vorhandenen unbefestigten wassergebundenen Fahrwegs - rechnen zu den Gebäudeherstellungskosten.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4, § 4 Abs. 4; HGB § 255 Abs. 2; EStG § 9 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist das Vorliegen von Instandsetzungsaufwendungen für ein Gebäude.

Die Kläger sind vom beklagten Finanzamt (FA) für die Streitjahre 1993 bis 1996 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Ehemann, ein freiberuflich tätiger Architekt, erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 7. November 1985 von seiner Mutter das zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörende Flurstück-Nr. 1241 … 5 in … mit einem im Jahr 1925 errichteten Hof- und Wirtschaftsgebäude zum Preis von 40.000 DM. Durch Bescheid vom 27. Oktober 1986 (Zurechnungsfortschreibung) wurde für den Kläger für den landwirtschaftlichen Betrieb zum 1. Januar 1986 ein Einheitswert i. H. v. 7.900 DM festgestellt. Nach Angaben gegenüber der Einheitswertstelle des FA wurde das Wohn- und Ökonomiegebäude ab 1986 instandgesetzt. Bei einer Vorsprache am 15. Dezember 1988 an Amtsstelle erklärten die Kläger, vorläufig sei nur das Dachgeschoss (78 m² Wohnfläche) bezugsfertig ausgebaut, die Räume im Erdgeschoss (mit Stall und Schopf im Ökonomieteil) befänden sich noch im Rohbauzustand. In der am 9. Januar 1989 eingereichten Anlage W zur Einkommensteuererklärung 1986 – Nutzung von Wohnungen im Betriebsvermögen – wurde im Wohngebäude Gifthof 5 nur die Dachgeschosswohnung mit einer Fläche von 78 m² erklärt. Nach einem Aktenvermerk vom 15. August 1989 des Bearbeiters der Einheitswertstelle des FA erklärte die Klägerin auf fernmündliche Anfrage, die Erdgeschosswohnung sei immer noch nicht bewohnbar. Zur Zeit würden die elektrischen Leitungen installiert. Bewohnt werde das Dachgeschoss. Diese Räume seien neu geschaffen worden und lt. Anerkennungsbescheid grundsteuerbegünstigt. Demgemäss wurde im Einheitswertbescheid für den landwirtschaftlichen Betrieb auf den 1. Januar 1988 der Wohnungswert nach einer Wohnfläche von 78 m² berechnet. Mit notariellem Vertrag vom 23. Januar 1996 schenkte der Kläger das landwirtschaftliche Anwesen Gifthof 5 einschließlich des bebauten Grundstücks der Klägerin.

In den gemeinsamen Einkommensteuererklärungen 1993 bis 1995 machte der Kläger bei den landwirtschaftlichen Einkünften beim Nutzungswert der Wohnung folgende Aufwendungen für „Reparaturen Wohn- und Ökonomiegebäude” geltend:

1993

1994

1995

7.587 DM

38.918 DM

12.944 DM

In den Einkommensteuerbescheiden 1993 bis 1995 vom 11. Mai 1995, vom 4. Januar 1996 sowie vom 17. Februar 1997 wurden die Gebäudeaufwendungen antragsgemäß als Betriebsausgaben berücksichtigt. Die Einkommensteuer 1994 wurde hinsichtlich der Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig, die Einkommensteuer 1995 gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt.

Unter dem 19. Juli 1995 teilte das Landratsamt Rottweil – Baurechtsbehörde – dem FA mit, der dem Kläger am 19. Juni 1989 genehmigte Umbau des Wohngebäudes Gifthof 5 sei am 10. Juli 1995 schlussabgenommen worden. Zur Überprüfung des Einheitswerts erklärte der Kläger auf Anfrage im Schreiben vom 20. Juni 1996, das Gebäude sei in den Jahren 1976 bis 1996 mit einem Aufwand von 215.000 DM instandgesetzt, modernisiert und repariert worden, dessen Gesamtwohnfläche betrage 147,37 m². Anlässlich der Veranlagung zur Einko...

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