Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerpflicht bei Schein-Erträgen aus von Anlagebetrüger nur fingierten, vermeintlich steuerfreien Differenzgeschäften. Einkommensteuer 1988 und 1989

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird dem gutgläubigen Anleger die Durchführung von –im Erfolgsfall zu steuerfreien Gewinnen führenden– Differenzgeschäften mit Treasury-Bonds (Treasury-Bonds-Terminkontrakte) vorgegaukelt, werden solche Geschäfte tatsächlich aber von dem nach dem Schneeballsystem vorgehenden Anlagebetrüger nicht durchgeführt, so sind die zugeflossenen Schein-Erträge beim Anleger auch dann nicht steuerpflichtig, wenn er insgesamt gesehen tatsächlich einen Gesamtüberschuss mit der Anlage erzielt hat.

2. Dafür, dass der Anleger nicht gutgläubig gehandelt hat, trägt das FA die Feststellungslast.

3. Zur Abgrenzung dieser Scheingeschäfte von steuerpflichtigen Kapitalerträgen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 EStG.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 7, 4; EStG 1987 § 23 Abs. 1 Nrn. 4, 1b; AO § 41; BGB §§ 667, 674

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.12.2004; Aktenzeichen VIII R 81/03)

BFH (Urteil vom 14.12.2004; Aktenzeichen VIII R 81/03)

 

Tenor

1. Die Einkommensteuer- Bescheide 1988 und 1989, beide vom …, werden dahingehend geändert, dass die bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen angesetzten Einnahmen um 17.891 DM (1988) bzw. 669.475 DM (1989) vermindert werden. Die Berechnung der Einkommensteuerschulden 1988 und 1989 der Kläger wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung auf das beklagte Finanzamt übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Behörde kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festzusetzenden Erstattungsbetrags Sicherheit leisten.

4. Der Revision wird zugelassen.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

1. Der Kläger (Kl) war in den Streitjahren 1988 und 1989 … der … in …. Ausweislich der Angaben in den Einkommensteuererklärungen bezog der Kl als Mitunternehmer der „…” In den Streitjahren gewerbliche Einkünfte in Höhe von jeweils mehr als 1 Mio. DM (1988: 1.073.958 DM; 1989: 1.235.262 DM).

2. Ende 1984 wandte sich eine … GmbH mit Sitz in … an den Kl mit dem Vorschlag, sich doch an dem … (…) in … in Form eines Dollar-DM-Devisenterminkontrakts zu beteiligen; dabei wurde ausdrücklich der Begriff „Gewinn-Spiel” benutzt. Hinter der … stand u.a. der Geschäftsmann …, den das Landgericht … im … wegen Anlagebetrugs zu einer Freiheitsstrafe von fast … Jahren verurteilte; wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung des landgerichtlichen Urteils (FG-Akte Bl. 103–132) Bezug genommen. Insbesondere wird in dem genannten Urteil mitgeteilt, dass … im August 1986 in … (USA) zusammen mit anderen Geschäftspartnern das Unternehmen … gründete und im Oktober 1986 die … mit Sitz in (… GmbH). … beherrschte die genannten Gesellschaften und war außerdem –jedenfalls faktisch– deren Geschäftsführer.

Über die genannten …-Gesellschaften bot … seinen Kunden (den Anlegern) u.a. Treasury-Bonds-Terminkontrakte sowie Treasury-Bonds-Optionen an. Treasury-Bonds sind Schuldverschreibungen des Bundesschatzamts der USA, für die ähnlich wie für Waren und Devisen in den USA tatsächlich ein (Börsen-)Markt für Zins-Termingeschäfte besteht. Entgegen den gegenüber den Anlegern geäußerten Verlautbarungen (vgl. u.a. auch den vom Kl in Ablichtung vorgelegten Prospekt der …, Bl. 39–44 d. FG-Akte) legte … (bzw. die …-Gesellschaften) die von den Kunden für Anlagezwecke zur Verfügung gestellten Gelder jedoch nicht in der versprochenen Weise in Treasury-Bonds-Terminkontrakten bzw. Treasury-Bonds-Optionen an, sondern benutzte die Kapitalzuflüsse zur Finanzierung eines Schneeballsystems, das Anfang 1990 zusammenbrach. Um den Eindruck zu erwecken –so das genannte Urteil des Landgerichts … auf Seite 10–, dass es sich um solide, gegen Risiken abgesicherte Anlagen mit hoher Rendite handelte, bot … den Kunden in sogenannten „Sondervereinbarungen” die Optionen mit schon angelaufenen Gewinnen an. In Schreiben der … Gesellschaften wurde den Anlegern u.a. bestätigt, dass sie die georderten Optionen in der vereinbarten Höhe erhalten hätten. Im übrigen wird auf den Prüfungsbericht der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts … vom … Bezug genommen.

3. Wie sich aus dem auf Anordnung des Gerichts vorgelegten Konvolut der Originalbelege des Kl ergibt, auf die Bezug genommen wird, hatte der Kl bereits ab März 1985 immer wieder Beträge in Terminkontrakten angelegt, die anfangs von der … später von den … Gesellschaften vermittelt wurden. Im April 1987 taucht in den Abrechnungen der Kontrakte die Bezeichnung „Sondervereinbarung” auf. Ab Oktober 1988 wurden die Aufträge (allerdings nur scheinbar) über die …-Gesellschaften abgewickelt. Die von den … Gesellschaften erteilten schriftlichen Bestätigungen lauten in etwa wie folgt (so beispielsweise die Sond...

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