Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmensbeteiligung von Handelsvertretern als notwendiges Betriebsvermögen. Finanzierungsbeiträge des Vorstandes einer AG zur Umschuldung des Aktienerwerbs sind keine Betriebseinnahmen der Aktionäre. Überschusserzielungsabsicht beim Erwerb von Aktien

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Beteiligung eines Versicherungsvertreters an dem Unternehmen, dessen Versicherungen er vertreibt, erfüllt keine betriebliche Funktion und gehört auch dann nicht zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn der Erwerb über die Hausbank der Versicherung finanziert und der Aktienbesitz von der Unternehmensleitung gefördert wird.

2. Zinsaufwendungen können nur dann als Betriebsausgaben berücksichitgt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Zinsen für ein Darlehen geleistet werden, das durch betriebliche Aufwendungen veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Dabei ist es Aufgabe des Steuerpflichtigen, den betrieblichen Anlass der Schuldaufnahme nachzuweisen.

3. Fremd finanzierte Aktien werden nicht mit Überschusserzielungsabsicht erworben, wenn aufgrund der geringen Dividenden und der Höhe der Schuldzinsen auf Dauer keine Überschüsse zu erzielen sind.

4. Finanzierungsbeiträge, die der Vorstand einer Aktiengesellschaft den Aktionären zur Umschuldung von Darlehen gewährt, die dem Erwerb von Aktien dienten, sind nicht als Betriebseinnahmen der Aktionäre zu bilanzieren, solange aus der Fremdfinanzierung ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 BGB folgt.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 4, § 5 Abs. 1; BGB § 426 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; HGB § 246 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 4

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. März 2010 werden der Einkommensteuerbescheid 2004 sowie der Bescheid über den Gewebesteuermessbetrag für 2004 – jeweils zuletzt vom 10. März 2010, dahingehend abgeändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um EUR … unter Berücksichtigung der Änderung der Gewerbesteuerrückstellung vermindert werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 1/3 und die Kläger zu 2/3.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

 

Tatbestand

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war seit 1983 bis Mitte 2004 (so die eigenen Einlassungen, vgl. u.a. Blatt 138 der Finanzgerichtsakten und Angaben in der mündlichen Verhandlung; laut Partnervertrag mit der Con AG allerdings dortiger Beginn bereits zum 01. Januar 2004) für die börsennotierte X AG, ein Finanzdienstleistungsunternehmen, tätig; ab 1987 als Prokurist im Innendienst und ab 1990 in der Funktion eines Geschäftsstellenleiters. Er erzielte dabei als selbständiger Handelsvertreter gemäß § 84 Handelsgesetzbuch – HGB – (vgl. i. E. Mitarbeitervertrag vom 28. April 1988, Geschäftsstellenleitervertrag vom 12. September 1989 und Consultantvertrag vom 21. Januar 2002) Provisionseinkünfte, die als gewerbliche Einkünfte besteuert wurden. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4, Abs. 1, 5 EinkommensteuergesetzEStG –).

Dabei bestand für den Kläger – wie auch für andere Führungspersonen und verdiente Mitarbeiter – ab dem Jahr 1987 die Möglichkeit (abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Stellung im Unternehmen und erreichten Zielen), direkt aus dem Eigentum der Sa Aktien der X AG (Börsengang im Juni 1988) zu Vorzugskonditionen erwerben (vgl. beispielhaft Angebot vom 01. März 1993 über den Erwerb von 50 Stammaktien mit 20 % Abschlag zum durchschnittlichen Börsenkurs). Mit dem Erwerb verpflichtete sich der Kläger, die Aktien in einem Depot der Z Bank verwahren zu lassen und bis zum 31. Dezember des auf den Erwerb folgenden Jahres nicht darüber zu verfügen. Der organisatorische Ablauf des Erwerbs aus diesem Programm ist beispielhaft in einem Schreiben vom 01. April 1993 beschrieben. Hierin ist u. a. ausgeführt, dass der Erwerb der Aktien nicht finanziert werden sollte, die Z Bank jedoch im Einzelfall bereit sei, eine Finanzierung bei einem Zinssatz von 11 % p. a. und einer Beleihungsgrenze von 50 % des Kurswertes vorzunehmen.

Nach einer Aufstellung des Zeugen Sa (übergeben anlässlich der Zeugenvernehmung am 04. April 2011) hat der Kläger ab dem Jahr 1986 Aktienangebote der X AG zu einem Kaufpreis von gesamt EUR … (450 Aktien) sowie der X … ab dem Jahr 1996 zu einem Kaufpreis von EUR … (3.123 Aktien) erworben. Vom Kläger selbst wurden – trotz entsprechender Auflage durch das Ger...

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