Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast bei nicht bei der Behörde eingegangenem Einspruchsschreiben. Unzulässigkeit einer ohne Vorverfahren erhobenen Klage. Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein nach Angaben des Steuerpflichtigen fristgerecht zur Post gegebener Einspruchsschriftsatz bei der zuständigen Familienkasse nicht eingegangen, so muss der Einspruchsführer seine Behauptung, das Schreiben sei entweder auf dem Postweg oder bei der Behörde verloren gegangen oder dort versehentlich falsch abgelegt worden, substantiiert darlegen und ausreichend nachweisen. Die bloße Behauptung genügt dazu nicht.

2. Da für den Absendevorgang wie für den Zugang einer Einspruchsschrift der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt, gehen Unsicherheiten in den Bereichen des Absendens und des Zugangs zu seinen Lasten.

3. Wurde gegenüber dem Vater die Kindergeldfestsetzung aufgehoben und war die – ablehnende– Einspruchsentscheidung nur an ihn gerichtet, so ist eine von der Mutter erhobene Klage mangels Vorverfahrens unzulässig.

 

Normenkette

AO 1977 § 110 Abs. 1, § 355 Abs. 1; FGO § 44

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger die Einspruchsfrist gewahrt haben, bzw. ihnen Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist zu gewähren ist.

Mit Bescheid vom 29. November 2000 hob der Beklagte (Bekl) gegenüber dem Kläger (Kl) („…”) die Kindergeldfestsetzung für das am 20. Dezember 1980 geborene Kind … auf. Der Bescheid, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, enthält eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung. Ausweislich des Eingangsstempels in den Kindergeldakten, ging beim Bekl am 12. Mai 2001 ein Schreiben des Kl mit Datumsangabe 13. Dezember 2000 ein, mit welchem Einspruch gegen den Bescheid vom 29. November 2000 eingelegt wurde. In dem Schreiben (Bl. 87 der Kindergeldakte), das als Absender den Kl ausweist und auf das wegen der Einzelheiten im Übrigen Bezug genommen wird, ist u.a. wörtlich ausgeführt:

„Wir erheben Einspruch dagegen, dass wir kein Kindergeld für unsere Tochter … Zeitraum Januar bis August 2001 erhalten…

Wir bitten Sie, nochmals genau nachzurechnen und hoffen, dass Sie den Bescheid zurücknehmen und das Kindergeld weiterhin bezahlen.”

Blatt 88 der Kindergeldakten enthält ein Schreiben der Klägerin (Klin) in welchem u.a. ausgeführt wird:

„Sehr geehrte …

wie ich Ihnen in unserem Telefonat letzte Woche dargelegt habe, haben wir bereits im Dezember 2000 Einspruch gegen Ihren Bescheid erhoben. Wir senden Ihnen nun unsere Kopie des Briefes, da das Schreiben offensichtlich irgendwo verloren gegangen ist…”

Auf der Rückseite enthält dieses Schreiben den Vermerk „EB erst 12. Mai 2001”.

Der Einspruch wurde vom Bekl mit Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2001 gegenüber dem Kl als unzulässig verworfen. In der Einspruchsentscheidung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, vertrat der Bekl die Auffassung, der umstrittene Bescheid sei am 29. November 2000 bei der Post aufgegeben worden, so dass er am 2. Dezember 2000 als bekanntgegeben gelte. Die Einspruchsfrist habe am Tag danach begonnen. Da keine Gründe erkennbar seien, die das Fristversäumnis rechtfertigten, der Bescheid eine vollständige und verständliche Belehrung über Form und Frist des Einspruchs enthalte, käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO nicht in Betracht. Dem Einwand des Einspruchsführers, bereits im Dezember 2000 Einspruch eingelegt zu haben, könne nicht gefolgt werden, da das Einspruchsschreiben erst am 10. Mai 2001 beim Arbeitsamt eingegangen sei.

Hiergegen erhoben die Kl mit Schriftsatz vom 22. Juni 2001 am 25. Juni 2001 Klage. Mit ihr brachten sie vor, die Klin habe, nachdem sie im Februar immer noch nichts auf ihren Einspruch vom 13. Dezember gehört hätten, unter der im Bescheid angegebenen Telefonnummer angerufen und um Rückruf der zuständigen Sachbearbeiterin … gebeten. Nachdem sie einige Zeit in der Hoffnung gewartet hätten, schriftlich oder mündlich eine Antwort zu erhalten, habe die Klin Anfang Mai 2001 erneut beim Bekl angerufen und mit der zuständigen Sachbearbeiterin gesprochen. Dabei habe sie erfahren, dass der Einspruch scheinbar bei der Familienkasse nicht angekommen sei. Da die Klin sicher gewesen sei, den im Computer gespeicherten Einspruch nicht nur geschrieben, sondern auch abgesandt zu haben, hätten sie gefragt, was sie jetzt tun könnten. Es bestehe ja die Möglichkeit, dass ein Brief entweder bei der Post oder bei der Behörde verloren gehe oder aus Versehen falsch abgelegt worden sei. Die Sachbearbeiterin … habe ihnen geraten, den Einspruch noch einmal an die Familienkasse zu schicken mit der Erklärung, dass und wann der Brief im Dezember abgeschickt worden sei. Nachdem dies geschehen sei, sei der Einspruch mit dem Bescheid vom 22. Mai wegen Verspätung verworfen worden. Dabei sei kein Wort darüber verloren worden, ob die Abteilung nachgeschaut habe, ob das rechtzei...

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