Leitsatz

1. Halten nahe Angehörige zivilrechtliche Formerfordernisse nicht ein, spricht dies im Rahmen der steuerrechtlichen Beurteilung des Vertrags indiziell gegen den vertraglichen Bindungswillen (Bestätigung der BFH-Urteile vom 07.06.2006, IX R 4/04, BFH/NV 2006, 2162, BFH/PR 2006, 480 und vom 22.02.2007, IX R 45/06, BFH/NV 2007, 1400, BFH/PR 2007, 289).

2. Die Gesamtwürdigung mehrerer Beweisanzeichen ist insgesamt fehlerhaft, wenn das FG aus einem Indiz, das es in seine Gesamtbetrachtung einbezieht, den falschen Schluss zieht.

 

Normenkette

§ 85, § 88 AO, § 76 FGO, § 9 Abs. 1 S. 1 und S. 3 Nr. 1, § 12, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 1629 Abs. 1 S. 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB

 

Sachverhalt

Die klagende Großmutter errichtete drei Mehrfamilienhäuser. Zur Finanzierung schloss sie mit ihren minderjährigen Enkelkindern Darlehensverträge ab, die durch deren Vater, nicht aber durch einen Ergänzungspfleger unterzeichnet wurden. Erst später (zeitlich nach dem Streitjahr) genehmigte er die Verträge.

Das FA erkannte die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten an. Das FG folgte dem FA und ließ die Verträge zunächst nur an der schwebenden Unwirksamkeit scheitern. Der BFH hob das Urteil im ersten Rechtszug auf (Urteil vom 07.06.2006, IX R 4/04, BFH/NV 2006, 2162, BFH/PR 2006, 480). Nach Zurückverweisung bezog das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.06.2008, 1 K 381/06, Haufe-Index 2106190) noch das Beweisanzeichen der fehlenden Besicherung ein.

 

Entscheidung

Dies war aber rechtsfehlerhaft, weil das Indiz – wie oben dargelegt – nicht ergiebig war. Deshalb musste der BFH das FG-Urteil aufheben und die Sache wiederum zurückverweisen, weil ein Revisionsgericht eine Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen darf.

 

Hinweis

1. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Der erste Rechtsgang endetet mit dem BFH-Urteil vom 07.06.2006, IX R 4/04 (BFH/NV 2006, 2162, BFH/PR 2006, 480) und der Zurückverweisung der Sache an das FG. Nun kam es erneut zu einer Zurückverweisung; denn das FG hatte wiederum die steuerliche Anerkennung der Schuldzinsen abgelehnt, ohne die Indizien hinreichend zu würdigen. Es ging um Darlehensverträge zwischen einer Großmutter, der Klägerin, und ihren noch minderjährigen Enkeln, denen zwar ein Elternteil, nicht aber ein Ergänzungspfleger zugestimmt hatte. Erst nachdem das FA das monierte, genehmigte der nun eingeschaltete Ergänzungspfleger.

2. Obschon der Ergänzungspfleger die Darlehensverträge genehmigte, wirkte diese nachträgliche Zustimmung (anders bei § 181 BGB das BFH-Urteil vom 23.10.1996, I R 71/95, Haufe-Index 65792, BStBl II 1999, 35) nur zivilrechtlich nach § 184 Abs. 1 BGB (i.V.m. § 1909, § 1915 Abs. 1, § 1829 Abs. 1 BGB), nicht aber steuerrechtlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der Darlehensverträge zurück. Deshalb würdigte es das FG zutreffend als Indiz gegen den vertraglichen Bindungswillen, dass die zugrunde liegenden Darlehensverträge im Streitjahr schwebend unwirksam waren. Dabei hat das FG der Klägerin angelastet, die Formvorschriften nicht beachtet zu haben. Diese Würdigung war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sich die klare Rechtslage schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des BGB ableiten lässt.

3.Damit durfte es das FG aber nicht bewenden lassen, und dies hat es auch nicht getan. Es hat zusätzlich darauf abgestellt, dass die Darlehen nicht besichert waren. Zwar geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, der Rückzahlungsanspruch aus einem langfristigen Darlehen zwischen nahen Angehörigen müsse ausreichend besichert sein. Indes war dieses Beweisanzeichen hier nicht ergiebig, erlaubt also nicht den Schluss auf einen fehlenden Bindungswillen der Vertragsparteien. Denn das aus dem Fremdvergleich abgeleitete generelle Erfordernis der Besicherung wird durch einen konkreten Fremdvergleich im jeweiligen Einzelfall überlagert. In diesem Zusammenhang hätte das FG nach der Aktenlage, wie sie in den Entscheidungen im ersten Rechtszug in Bezug genommen wurden, berücksichtigen müssen, dass drei verschiedene Kreditinstitute der Klägerin ungesicherte Darlehen von 200 000 DM, 250 000 DM und nochmals 250 000 DM bestätigt haben. Vor diesem konkreten Hintergrund verliert das zwischen fremden Dritten übliche Vertragsgebaren für die Indizienwürdigung an Gewicht, sodass die fehlende Besicherung nicht ohne Weiteres auf eine steuerrechtlich unerhebliche Veranlassung des hingegebenen Geldes hindeutet.

4. Hierin liegt nun der Aufhebungsgrund für die Revisionsinstanz. Wegen der unzutreffenden Würdigung eines Beweisanzeichens wird die vom FG angestellte Gesamtwürdigung insgesamt fehlerhaft. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.05.2009 – IX R 46/08

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