Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Kapitalverkehr. Einkommensteuer. Kapitaleinkünfte. Von einem gebietsansässigen, in Vertragsform gegründeten Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) ausgeschüttete Erträge. Von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen, in Satzungsform gegründeten OGAW ausgeschüttete Erträge. Ungleichbehandlung. Objektiv vergleichbare Situationen

 

Normenkette

AEUV Art. 63, 65

 

Beteiligte

E

E

 

Verfahrensgang

Korkein hallinto-oikeus (Finnland) (Beschluss vom 19.06.2019; ABl. EU 2019, Nr. C 295/6)

 

Tenor

Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Steuerpraxis eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der für die Zwecke der Besteuerung des Einkommens einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen natürlichen Person Erträge, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen, in Satzungsform gegründeten Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) ausgeschüttet werden, nicht den Erträgen gleichgestellt werden, die von im erstgenannten Mitgliedstaat ansässigen OGAW ausgeschüttet werden, weil diese nicht die gleiche Rechtsform haben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) mit Entscheidung vom 19. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juni 2019, in dem Verfahren

E,

Beteiligte:

Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter A. Kumin, T. von Danwitz, P. G. Xuereb (Berichterstatter) und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von E, vertreten durch A. Leppänen, varatuomari,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und I. Koskinen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. November 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 63 und 65 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines von E eingeleiteten Verfahrens wegen der Entscheidung des Keskusverolautakunta (Zentraler Steuerausschuss, Finnland) vom 10. November 2017, in der dieser die Auffassung vertrat, dass die von einer Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (SICAV) luxemburgischen Rechts an E ausgeschütteten Erträge in Finnland als Einkünfte aus Erwerbstätigkeit versteuert werden sollten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach ihrem vierten Erwägungsgrund soll die Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. 2009, L 302, S. 32; im Folgenden: OGAW-Richtlinie) für die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) gemeinsame Mindestregelungen für die Zulassung, Aufsicht, Struktur, Geschäftstätigkeit sowie hinsichtlich der zu veröffentlichenden Informationen festlegen.

Rz. 4

Der 83. Erwägungsgrund der OGAW-Richtlinie lautet:

„Diese Richtlinie hat keine Auswirkungen auf nationale steuerliche Regelungen sowie Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten gegebenenfalls eingeleitet wurden, um die Einhaltung dieser Regelungen auf ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten.”

Rz. 5

Art. 1 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Diese Richtlinie gilt für die im Gebiet der Mitgliedstaaten niedergelassenen [OGAW].

(2) Für die Zwecke dieser Richtlinie und vorbehaltlich des Artikels 3 bezeichnet der Ausdruck ‚OGAW’ Organismen

  1. deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen in Artikel 50 Absatz 1 genannten liquiden Finanzanlagen zu investieren, und
  2. deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Diesen Rücknahmen oder Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen ein OGAW sicherstellen will, dass der Kurs seiner Anteile nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht.

Die Mitgliedstaaten können eine Zusammensetzung der OGAW aus verschiedenen Teilfonds genehmigen.

(3) Die Organismen im Sinne von Absatz 2 können die Vertragsform (von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltete Investmentfonds), die Form des Trust (‚unit trust’) oder die Satzungsform (Investmentgesellschaft) haben.

…”

Rz. 6

Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65 und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. 2011, L 174, S. 1) ist ein alternativer Investme...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge