Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenseitige Amtshilfe, Einkommensteuer, Recht auf Information des Steuerpflichtigen über Amtshilfeersuchen, Recht auf Information über die Quelle der Auskunft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Unionsrecht, wie es sich insbesondere aus der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Steuern auf Versicherungsprämien in der durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung und aus dem Grundrecht auf rechtliches Gehör ergibt, ist dahin auszulegen, dass es dem Steuerpflichtigen eines Mitgliedstaats weder das Recht verleiht, über das Amtshilfeersuchen informiert zu werden, das dieser Staat an einen anderen Mitgliedstaat stellt, um u. a. die von diesem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung gemachten Angaben zu überprüfen, noch das Recht, an der Formulierung des an den ersuchten Mitgliedstaat gestellten Ersuchens mitzuwirken, noch das Recht, an von diesem letztgenannten Staat organisierten Zeugenvernehmungen teilzunehmen.

2. Die Richtlinie 77/799 in der durch die Richtlinie 2006/98 geänderten Fassung regelt nicht die Frage, unter welchen Bedingungen der Steuerpflichtige die Richtigkeit der vom ersuchten Mitgliedstaat erteilten Auskunft in Frage stellen kann, und stellt keine besondere Anforderung an den Inhalt der erteilten Auskunft.

 

Normenkette

EWGRL 799/77

 

Beteiligte

Sabou

Jirí Sabou

Financní reditelství pro hlavní mesto Prahu

 

Verfahrensgang

Nejvyssí správní soud (Tschechien) (Urteil vom 03.04.2012; ABl. EU 2012, Nr. C 273/3)

 

Tatbestand

„Richtlinie 77/799/EWG ‐ Gegenseitige Amtshilfe zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern ‐ Informationsaustausch auf Ersuchen ‐ Steuerverfahren ‐ Grundrechte ‐ Begrenzung des Umfangs der Pflichten des ersuchenden Mitgliedstaats und des ersuchten Mitgliedstaats gegenüber dem Steuerpflichtigen ‐ Keine Verpflichtung, den Steuerpflichtigen über das Auskunftsersuchen zu informieren ‐ Keine Verpflichtung, den Steuerpflichtigen zur Teilnahme an der Vernehmung von Zeugen zu laden ‐ Recht des Steuerpflichtigen, die ausgetauschte Information in Frage zu stellen ‐ Mindestinhalt der ausgetauschten Information“

In der Rechtssache C-276/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 3. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 2012, in dem Verfahren

Jiří Sabou

gegen

Finanční ředitelství pro hlavní město Prahu

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, M. Safjan und C. G. Fernlund (Berichterstatter), der Richter J. Malenovský, E. Levits, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou und G. Papagianni als Bevollmächtigte,

‐ der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und J.-S. Pilczer als Bevollmächtigte,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,

‐ der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Barslev, M. Šimerdová und W. Mölls als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. Juni 2013

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Steuern auf Versicherungsprämien (ABl. L 336, S. 15) in der durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 129) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 77/799) im Licht der Grundrechte.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Sabou, einem Profifußballer, und dem Finanční ředitelství pro hlavní město Prahu (Finanzdirektion für die Hauptstadt Prag) über die Höhe seiner steuerpflichtigen Einkommen im Jahr 2004.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 77/799

Rz. 3

Die Richtlinie 77/799 wurde durch die Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799 (ABl. L 64, S. 1) aufgehoben. In Anbetracht des Zeitraums, in den die im Ausgangsrechtsstr...

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