Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhr von Tabak durch Privatpersonen aus einem anderen Mitgliedstaat, Beurteilung der Gewerblichkeit des Besitzes von Tabakwaren nach mengenmäßigen Kriterien

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Französische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren und insbesondere aus deren Art. 8 und 9 verstoßen, indem sie für die Beurteilung, ob der Besitz von Tabakwaren mit Herkunft aus einem anderen Mitgliedstaat durch Privatpersonen gewerblicher Natur ist, ein rein mengenmäßiges Kriterium verwendet und dieses Kriterium bezogen auf das individuelle Beförderungsmittel (und nicht personenbezogen) und pauschal auf sämtliche Tabakwaren anwendet.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Europäische Kommission und die Französische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

 

Normenkette

EWGRL 12/92 Art. 8-9

 

Beteiligte

Kommission / Frankreich

EU-Kommission

Französische Republik

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Richtlinie 92/12/EWG ‐ Verbrauchsteuern ‐ Tabakwaren, die in einem Mitgliedstaat erworben und in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden ‐ Ausschließlich mengenmäßige Beurteilungskriterien ‐ Art. 34 AEUV ‐ Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen“

In der Rechtssache C-216/11

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 10. Mai 2011,

Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls und O. Beynet als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus, M. Safjan und der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Dezember 2012

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Französische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) und insbesondere deren Art. 8 und 9 sowie aus Art. 34 AEUV verstoßen hat, indem sie für die Beurteilung, ob der Besitz von Tabakwaren mit Herkunft aus einem anderen Mitgliedstaat durch Privatpersonen gewerblicher Natur ist, ein rein mengenmäßiges Kriterium verwendet, dieses Kriterium bezogen auf das individuelle Beförderungsmittel (und nicht personenbezogen) und pauschal auf sämtliche Tabakwaren anwendet und schlicht und einfach die Einfuhr von Tabakwaren mit Herkunft aus einem anderen Mitgliedstaat durch Privatpersonen verhindert, wenn sie die Menge von 2 kg pro individuellem Beförderungsmittel übersteigt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Art. 8 der Richtlinie bestimmte:

„Für Waren, die Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erwerben und die sie selbst befördern, werden die Verbrauchsteuern nach dem Grundsatz des Binnenmarkts im Erwerbsmitgliedstaat erhoben.“

Rz. 3

Art. 9 der Richtlinie lautete:

„(1) Unbeschadet der Artikel 6, 7 und 8 entsteht die Verbrauchsteuer, wenn die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat in Besitz gehalten werden.

In diesem Fall wird die Verbrauchsteuer in dem Mitgliedstaat geschuldet, auf dessen Gebiet sich die Waren befinden, und von der Person, in deren Besitz sie sich befinden.

(2) Bei der Feststellung, ob die in Artikel 8 genannten Waren zu gewerblichen Zwecken bestimmt sind, haben die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Kriterien zu berücksichtigen:

‐ handelsrechtliche Stellung und Gründe des Besitzers für den Besitz der Waren;

‐ Ort, an dem die Waren sich befinden, oder gegebenenfalls verwendete Beförderungsart;

‐ Unterlagen über die Waren;

‐ Beschaffenheit der Waren;

‐ Menge der Waren.

Für die Anwendung des fünften Gedankenstrichs von Unterabsatz 1 können die Mitgliedstaaten Richtmengen festlegen, jedoch nur, um einen Anhaltspunkt zu gewinnen. Diese Richtmengen dürfen folgende Werte nicht unterschreiten:

a) Tabakwaren

Zigaretten 800 Stück

Zigarillos (Zigarren mit einem Höchstgewicht von 3 g/Stück) 400 Stück

Zigarren 200 Stück

Rauchtabak 1,0 kg

…“

Französische Regelung

Rz. 4

Art. 302 D des Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch) in der Fassung, die in Kraft war, als die Frist ablief, die in der am 23. November 2009 an die Französische Republik gerichteten mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war (im Folgenden: CGI), sah vor:

„I.-1. Die Steuer entsteht

4. unbeschadet von … Art. 575 G und 575 H bei der Feststellung des Besitzes von Alkohol, alkoholischen Getränken oder Ta...

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