Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Haftung für fehlerhafte Produkte. Begriff ‚fehlerhaftes Produkt’. Exemplar einer gedruckten Zeitung mit einem unrichtigen Gesundheitstipp. Ausnahme vom Anwendungsbereich

 

Normenkette

Richtlinie 85/374/EWG Art. 2

 

Beteiligte

KRONE – Verlag

VI

KRONE – Verlag Gesellschaft mbH & Co KG

 

Tenor

Art. 2 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 geänderten Fassung ist im Licht der Art. 1 und 6 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Exemplar einer gedruckten Zeitung, die im Zuge der Behandlung eines Themas aus dem Umfeld der Medizin einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, durch dessen Befolgung eine Leserin dieser Zeitung an der Gesundheit geschädigt wurde, kein „fehlerhaftes Produkt” im Sinne dieser Bestimmungen ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 21. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Februar 2020, in dem Verfahren

VI

gegen

KRONE – Verlag Gesellschaft mbH & Co KG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der KRONE – Verlag Gesellschaft mbH & Co KG, vertreten durch Rechtsanwalt S. Korn,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und U. Bartl als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und G. Gattinara als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. April 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. 1985, L 210, S. 29) in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 (ABl. 1999, L 141, S. 20) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/374) im Licht der Art. 1 und 6 dieser Richtlinie.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen VI, einer österreichischen Staatsangehörigen, und der KRONE – Verlag Gesellschaft mbH & Co KG, einem Presseunternehmen mit Sitz in Österreich, wegen eines Schadenersatzbegehrens von VI in Bezug auf Verletzungen, die daraus resultierten, dass sie einen unrichtigen Gesundheitstipp befolgte, der in einer von diesem Unternehmen herausgegebenen Zeitung veröffentlicht worden war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2 bis 4 sowie 6 und 7 der Richtlinie 85/374 heißt es:

„Nur bei einer verschuldensunabhängigen Haftung des Herstellers kann das unserem Zeitalter fortschreitender Technisierung eigene Problem einer gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken in sachgerechter Weise gelöst werden.

Die Haftung darf sich nur auf bewegliche Sachen erstrecken, die industriell hergestellt werden. Folglich sind landwirtschaftliche Produkte und Jagderzeugnisse von der Haftung auszuschließen, außer wenn sie einer industriellen Verarbeitung unterzogen worden sind, die Ursache eines Fehlers dieses Erzeugnisses sein kann. Die in dieser Richtlinie vorzusehende Haftung muss auch für bewegliche Sachen gelten, die bei der Errichtung von Bauwerken verwendet oder in Bauwerke eingebaut werden.

Der Schutz des Verbrauchers erfordert es, dass alle am Produktionsprozess Beteiligten haften, wenn das Endprodukt oder der von ihnen gelieferte Bestandteil oder Grundstoff fehlerhaft war. …

Damit der Verbraucher in seiner körperlichen Unversehrtheit und seinem Eigentum geschützt wird, ist zur Bestimmung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts nicht auf dessen mangelnde Gebrauchsfähigkeit, sondern auf einen Mangel an Sicherheit abzustellen, die von der Allgemeinheit berechtigterweise erwartet werden darf. Bei der Beurteilung dieser Sicherheit wird von jedem missbräuchlichen Gebrauch des Produkts abgesehen, der unter den betreffenden Umständen als unvernünftig gelten muss.

Eine gerechte Verteilung der Risiken zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller bedingt, dass es dem Hersteller möglich sein muss, sich von der Haftung zu befreien, wenn er den Beweis für ihn entlastende Umstände erbringt.”

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie 85/374 bestimmt:

„Der Hersteller eines Produkts haftet für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist.”

Rz. 5

Art. 2 der Richtlinie 85/374 lautet:

„Bei der Anwendung dieser Richtlini...

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