Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Zollunion. Zollkodex der Union. Nach Überlassung der Waren entdeckte Mehrmenge an Waren. Änderung der Zollanmeldung. Andere als die in der zu ändernden Anmeldung ursprünglich angemeldeten Waren. Ungültigerklärung einer Zollanmeldung. Von den zuständigen Zollbehörden verhängte Sanktionen

 

Normenkette

EUV 952/2013 Art. 42, 139 Abs. 1, Art. 158 Abs. 1, Art. 173-174

 

Beteiligte

Zes Zollner Electronic

SC Zes Zollner Electronic SRL

Direcţia Regională Vamală Cluj – Biroul Vamal de Frontieră Aeroport Cluj-Napoca

 

Verfahrensgang

Tribunalul Cluj (Rumänien) (Beschluss vom 25.08.2021; ABl. EU 2022, Nr. C 64/13)

 

Tenor

1. Die Art. 173 und 174 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union

sind dahin auszulegen, dass

sie nicht anwendbar sind, wenn der Anmelder nach Abgabe seiner Zollanmeldung und nach der Überlassung feststellt, dass eine Warenmenge, die über die ursprünglich angemeldete Menge hinausgeht, ebenfalls hätte angemeldet werden müssen, sofern

  • zum einen ein Antrag auf Änderung der Zollanmeldung auf der Grundlage der erstgenannten Bestimmung nicht in Betracht kommt, wenn er darauf gerichtet ist, diese Anmeldung dahin zu ändern, dass sie sich auf eine Warenmenge bezieht, die über die angemeldete Menge hinausgeht, und
  • zum anderen ein Antrag auf Ungültigerklärung einer Zollanmeldung auf der Grundlage der letztgenannten Bestimmung nicht in Betracht kommt, wenn dieser Antrag nach Überlassung der Waren gestellt wurde, ohne dass die von der Europäischen Kommission in Anwendung von Art. 175 dieser Verordnung festgelegten Fälle vorliegen.

2. Die Verordnung Nr. 952/2013, insbesondere deren Art. 42, Art. 139 Abs. 1 und Art. 158 Abs. 1,

ist dahin auszulegen, dass

ein Anmelder, wenn er nach der Überlassung feststellt, dass die eingeführte Warenmenge größer ist als in seiner Zollanmeldung angegeben, zur Abgabe einer neuen Anmeldung für diese Mehrmenge verpflichtet ist. Haben die Zollbehörden im Fall einer solchen verspäteten Anmeldung nationale Rechtsvorschriften anzuwenden, die Sanktionen nach Art. 42 dieser Verordnung vorsehen, müssen sie bei der rechtlichen Einordnung der möglicherweise begangenen Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Festlegung der zu verhängenden Sanktionen für die Nichteinhaltung zollrechtlicher Vorschriften alle maßgeblichen Umstände, eventuell einschließlich des guten Glaubens des Anmelders, berücksichtigen, um zu gewährleisten, dass diese Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Cluj (Regionalgericht Cluj, Rumänien) mit Entscheidung vom 25. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 2021, in dem Verfahren

SC Zes Zollner Electronic SRL

gegen

Direcţia Regională Vamală Cluj – Biroul Vamal de Frontieră Aeroport Cluj-Napoca

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias (Berichterstatter), M. Ilešič, I. Jarukaitis und Z. Csehi,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,
  • der estnischen Regierung, vertreten durch M. Kriisa als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia, F. Clotuche-Duvieusart und F. Moro als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Januar 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 173 und 174 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Union).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Zes Zollner Electronic SRL (im Folgenden: ZZE), einem rumänischen Unternehmen, und der Direcţia Regională Vamală Cluj – Biroul Vamal de Frontieră Aeroport Cluj-Napoca (Regionaldirektion für Zölle Cluj – Grenzzollamt des Flughafens Cluj-Napoca, Rumänien) über deren Entscheidung, gegen ZZE ein Bußgeld zu verhängen, weil diese 5 000 elektronische integrierte Schaltungen der Zollkontrolle entzogen habe, sowie die Zahlung eines Betrags in Höhe des Zollwerts dieser Waren zuzüglich der Einfuhrabgaben und anderer geschuldeter Abgaben zu verlangen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EWG) Nr. 2913/92

Rz. 3

Art. 66 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) sah vor:

„(1) Die Zollbehörden erklären auf Antrag des Anmelders eine bereits angenommene Anmeldung für ungültig, wenn der Anmelder nachweist, dass die Waren irrtümlich zu dem in dieser Anmeldung bezeichneten Zollverfahren angemeldet worde...

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