Entscheidungsstichwort (Thema)

Innergemeinschaftlicher Erwerb, Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs, Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft, Zuordnung der Warenbewegung in einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft, Fehlerhafte Anwendung der Regelung des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 41

 

Beteiligte

Dyrektor Izby Skarbowej w W

B

Dyrektor Izby Skarbowej w W

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 30.06.2020; ABl. EU 2021 Nr. C 110/18)

 

Tenor

Art. 41 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats, wonach ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen als in seinem Gebiet bewirkt gilt, wenn dieser Erwerb, der den ersten Umsatz einer Kette aufeinanderfolgender Umsätze darstellt, von den beteiligten Steuerpflichtigen zu Unrecht als inländischer Umsatz eingestuft wurde und wenn sie die ihnen von diesem Mitgliedstaat zugeteilten Mehrwertsteuer-Identifikationsnummern angaben, während der anschließende, zu Unrecht als innergemeinschaftlicher Umsatz eingestufte Umsatz von den Erwerbern der Gegenstände im Mitgliedstaat der Beendigung ihrer Beförderung als innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen der Mehrwertsteuer unterworfen wurde, nicht entgegensteht. Diese Bestimmung steht jedoch im Licht der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität einer solchen Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der als im Gebiet dieses Mitgliedstaats bewirkt gilt, mit einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen einhergeht, die in diesem Mitgliedstaat nicht als ein von der Steuer befreiter Umsatz behandelt worden ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 30. Juni 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Dezember 2020, in dem Verfahren

B.

gegen

Dyrektor Izby Skarbowej w W.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin I. Ziemele sowie der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von B., vertreten durch M. Boender, G. Bulk, M. Goj, D. Kroesen und D. Pokrop, Doradcy podatkowi, M. Kaleta, Radca prawny, sowie R. van den Andel und F. Vervaet,
  • des Dyrektor Izby Skarbowej w W., vertreten durch A. Cichoń, Radca prawny, sowie B. Kołodziej, D. Pach und T. Wojciechowski,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und A. Kramarczyk-Szaładzińska als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Brauhoff, M. Siekierzyńska und V. Uher als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. April 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 41 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft B. und dem Dyrektor Izby Skarbowej w W. (Direktor der Finanzkammer W., Polen) über die Festsetzung des Erstattungsbetrags der Mehrwertsteuerdifferenz für April 2012.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

b) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt

i) durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt …;

…”

Rz. 4

Art. 20 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Als ‚innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen’ gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, der durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versandt oder befördert wird.”

Rz. 5

Art. 40 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.”

Rz. 6

Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer ert...

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