Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabe einer Einkommensteuererklärung, Verpflichtung zur Benennung eines Steuervertreters, Portugal

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen, dass sie Art. 130 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz) erlassen und beibehalten hat, wonach gebietsfremde Steuerpflichtige verpflichtet sind, einen steuerlichen Vertreter in Portugal zu benennen, wenn sie zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtende Einkünfte erzielen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Portugiesische Republik trägt drei Viertel der gesamten Kosten. Die Europäische Kommission trägt das übrige Viertel.

4. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56

 

Beteiligte

Kommission / Portugal

Europäische Kommission

Portugiesische Republik

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Art. 56 EG und 40 des EWR-Abkommens ‐ Beschränkungen ‐ Direkte Besteuerung ‐ Gebietsfremde Steuerpflichtige ‐ Verpflichtung zur Benennung eines steuerlichen Vertreters“

In der Rechtssache C-267/09

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 15. Juli 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und G. Braga da Cruz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen sowie der Richterinnen C. Toader und A. Prechal,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18 EG und 56 EG sowie den entsprechenden Artikeln des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie Art. 130 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz, im Folgenden: CIRS) erlassen und beibehalten hat, wonach gebietsfremde Steuerpflichtige verpflichtet sind, einen steuerlichen Vertreter in Portugal zu benennen.

Rechtlicher Rahmen

EWR-Abkommen

Rz. 2

Art. 40 des EWR-Abkommens bestimmt:

„Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den … Mitgliedstaaten [der Europäischen Union] oder den … Staaten [der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA)] ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes. Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel sind in Anhang XII enthalten.“

Rz. 3

Anhang XII („Freier Kapitalverkehr“) des EWR-Abkommens nimmt auf die Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) (ABl. L 178, S. 5) Bezug. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I dieser Richtlinie gegliedert.

Nationales Recht

Rz. 4

Art. 130 CIRS lautet wie folgt:

„Vertreter

1. Gebietsfremde, die der [Einkommensteuer] unterliegende Einkünfte erzielen, sowie Gebietsansässige, die das nationale Hoheitsgebiet für mehr als sechs Monate verlassen, müssen für steuerliche Zwecke eine in Portugal ansässige natürliche oder juristische Person benennen, die sie gegenüber der Generaldirektion für Steuern vertritt und für die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten sorgt.

2. Die Benennung gemäß Abs. 1 erfolgt in der Erklärung über die Aufnahme der Tätigkeit, über Änderungen oder über die steuerliche Registrierung, in der ausdrücklich die Annahme durch den Vertreter vermerkt sein muss.

3. Im Fall eines Verstoßes gegen Abs. 1 werden die im vorliegenden Gesetz vorgesehenen Mitteilungen unabhängig von den anwendbaren Sanktionen nicht vorgenommen; die Steuerpflichtigen können sich jedoch bei den zuständigen Behörden darüber informieren, worum es in diesen Mitteilungen gegangen wäre.“

Rz. 5

Das Decreto-Lei Nr. 463/79 vom 30. November 1979 in der auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung sieht in den Art. 2 und 3 vor:

„Artikel 2

1. Für die Zwecke der Zuteilung der Steueridentifikationsnummer sind alle natürlichen Personen, die steuerpflichtige Einkünfte erzielen, auch wenn sie von der Zahlung dieser Steuer befreit sind, verpflichtet, sich bei einem Finanzamt oder Unterstützungsdienst für Steuerpflichtige zu registrieren. Zu diesem Zweck reichen sie bei diesem ein...

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