Leitsatz

1. Für die Dokumentation der Zuordnung (grundlegend BFH-Urteil vom 07.07.2011 ‐ V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76) ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.

2. Die Tatsache, dass im Lauf des Jahres, in dem eine Photovoltaikanlage erworben wurde, ein Vertrag mit dem Recht zum Weiterverkauf des gesamten von der Anlage erzeugten Stroms zuzüglich Umsatzsteuer abgeschlossen wurde, ist ein Indiz dafür, dass der Steuerpflichtige die Photovoltaikanlage dem Unternehmen voll zugeordnet hat.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1b UStG, Art. 167, Art. 168 Buchst. a, Art. 168a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 2014 (Streitjahr) eine Photovoltaikanlage. Den seit 22.9.2014 erzeugten Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise speiste er ihn in das Stromnetz eines Netzbetreibers (X) ein. Der Einspeisevertrag mit X vom 25.9.2014 sieht für den gelieferten Strom eine Vergütung pro kWh zuzüglich USt vor. Entsprechend wurden am 19.1.2015 die im Streitjahr ausgeführten Stromlieferungen des Klägers an X abgerechnet.

Gegenüber dem FA gab der Kläger zunächst weder Voranmeldungen noch sonstige Erklärungen zu den Ausgangs- und Eingangsumsätzen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage sowie den unentgeltlichen Wertabgaben ab. Am 29.2.2016 reichte er eine USt-Erklärung für das Streitjahr ein und zog darin u.a. die USt für die Photovoltaikanlage als Vorsteuer ab. Das FA stimmte der Steuererklärung zunächst zu.

Später versagte es den Vorsteuerabzug für die Photo­voltaikanlage, weil der Kläger nicht rechtzeitig (bis zum 31. Mai des Folgejahres) eine Zuordnungsentscheidung getroffen habe, und machte auch den Ansatz der unentgeltlichen Wertabgabe rückgängig. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.9.2018, 14 K 1538/17, Haufe-Index 13532773, EFG 2019, 2005) wies die Klage ab. Es nahm an, der Kläger habe die Photovoltaikanlage nicht rechtzeitig seinem Unternehmen zugeordnet. Die Zuordnung habe der Kläger gegenüber dem FA als Adressaten dokumentieren müssen.

 

Entscheidung

Der BFH hob auf die Revision des Klägers die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und die Änderungsbescheide des FA auf. Damit wurde die Steuererklärung des Klägers vom 28.02.2016, der das FA zugestimmt hatte, wieder wirksam.

 

Hinweis

Mit dem Besprechungsurteil und der Parallelentscheidung vom selben Tag mit dem Az. XI R 28/21 (XI R 3/19) (BFH/PR 2022, 241) zieht der BFH die Folgen aus dem EuGH-Urteil Finanzamt N vom 14.10.2021, C-45/20 und C-46/20 (BFH/NV 2021, 1629).

1. Der BFH stellt klar, dass die sog. Zuordnungsfrist (grundlegend BFH-Urteil vom 7.7.2011, V R 42/09, BFH/NV 2011, 1980, BStBl II 2014, 76) bereits dadurch gewahrt wird, dass innerhalb der Frist eine eindeutige Zuordnung zum Unternehmen erfolgt. Eine erfolgte Zuordnung innerhalb der Frist darf auch noch nach Ablauf der Frist der Finanzbehörde mitgeteilt werden. Der Zuordnung steht auch nicht entgegen, dass in den Voranmeldungen für das Streitjahr kein anteiliger Vorsteuerabzug vorgenommen wurde.

Art der Nachweisführung

Einen Nachweis durch Zeugenbeweis oder Parteivernehmung hat der BFH hingegen erneut abgelehnt.

2. Für die volle Zuordnung einer Photovoltaikanlage zum Unternehmen ist der Abschluss eines Einspeisevertrags ausreichend, der die Volleinspeisung des erzeugten Stroms zulässt und eine Vergütung mit USt (sowie ggf. den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung) vorsieht.

3. Dogmatisch bedeutsam ist, dass der BFH unter Hinweis auf die EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 11.7.1991, C-97/90, Lennartz, EU:C:1991:315, Rz. 15; EuGH, Urteil vom 4.10.1995, C-291/98, Armbrecht, EU:C:1995:304, Rz. 16 ff.; EuGH, Urteil vom 8.3.2001, C-415/98, Bakcsi, EU:C:2001:136, Rz. 24 und 29) betont, dass die Zuordnung zum Unternehmen dadurch erfolgt, dass der Steuerpflichtige beim Erwerb eines Gegenstands ganz oder teilweise "als solcher" handelt. Wer "als Unternehmer" einen Gegenstand anschafft oder herstellt, ordnet ihn dadurch dem Unternehmen zu. Ein Steuerpflichtiger handelt als solcher, wenn er für die Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit (Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)) handelt.

4. Ebenfalls klargestellt hat der BFH, dass der Vorsteuerabzug für eine "Auf-Dach-Photovoltaikanlage" nicht nach § 15 Abs. 1b UStG beschränkt ist.

Ende der Zuordnungsfrist

Nicht vom BFH zu entscheiden war, wann in Fällen des § 149 AO i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (BGBl I 2016, 1679) die Zuordnungsfrist endet. Der BFH deutet an, dass sich dies aus Gründen der Gleichbehandlung bei allen Steuerpflichtigen aus § 149 Abs. 3 AO ergeben könnte. Die Zuordnungsfrist könnte daher erst am 28.2. bzw. 31.7. des übernächsten J...

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