Die synthetische Kontrolle wurde ursprünglich für die Zeitreihenanalyse entwickelt, um den Effekt eines exogenen oder gesteuerten Treatments auf eine Zeitreihe zu schätzen. In der Kreditrisikoermittlung kann die synthetische Kontrolle jedoch auch angewendet werden, um den Effekt von verschiedenen Behandlungen (z. B. verschiedenen Kreditvergabepraktiken) auf das Kreditrisiko zu schätzen.

Dabei wird eine synthetische Kontrollgruppe auf Basis ähnlicher Kontrollgruppen konstruiert, um den Effekt der Behandlung zu isolieren und mögliche Störfaktoren zu kontrollieren. Der Vorteil der synthetischen Kontrolle gegenüber anderen Methoden wie dem Propensity Score Matching ist, dass sie eine bessere Kontrolle über nicht beobachtbare oder schwer zu quantifizierende Faktoren bietet, die das Kreditrisiko beeinflussen können.

 
Hinweis

Was ist Propensity Score Matching?

Propensity Score Matching ist eine Methode des statistischen Matchings, die verwendet wird, um eine geeignete Kontrollgruppe für eine Behandlungsgruppe zu finden. Die Methode basiert auf der Schätzung einer Propensity Score, die die Wahrscheinlichkeit angibt, dass ein Individuum einer bestimmten Gruppe (z. B. Behandlungsgruppe) angehört, basierend auf seinen beobachtbaren Eigenschaften oder Merkmalen (z. B. Alter, Geschlecht, Einkommen). Mit Hilfe dieser Propensity Scores können dann geeignete Kontrollgruppen ausgewählt werden, die ähnliche Eigenschaften wie die Behandlungsgruppe aufweisen, und somit Vergleiche zwischen beiden Gruppen möglich machen. Dies kann insbesondere bei der Evaluierung von Programmen, Interventionen oder politischen Maßnahmen hilfreich sein, um festzustellen, ob diese tatsächlich einen positiven Effekt haben.

Der Begriff "Treatment" ist in der Kreditrisikoermittlung nicht so eindeutig definiert wie in der Zeitreihenanalyse, da es keinen klaren Zeitpunkt gibt, an dem ein Treatment auftritt. Vielmehr geht es hier um die Identifikation von Merkmalen der Kreditnehmer, die das Kreditrisiko beeinflussen, und um die Bewertung der Wirkung verschiedener Behandlungen auf das Kreditrisiko auf Basis dieser Merkmale.

Eine Umsetzung in der Kreditrisikobewertung kann wie folgt aussehen:

  1. Zunächst werden umfangreiche Daten über die Kreditnehmer und ihre finanziellen Verhältnisse gesammelt. Diese Daten werden in ein Machine Learning-Modell eingespeist, das eine Prognose darüber erstellt, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kreditnehmer den Kredit nicht zurückzahlen wird. Dies kann z. B. mit Klassifikations- oder Regressions-Algorithmen erfolgen.
  2. Anschließend wird eine synthetische Person erstellt, die aus einer Vielzahl von Kreditnehmern zusammengesetzt ist und ein möglichst geringes Risiko aufweist. Diese synthetische Person wird aus den Kreditnehmern ausgewählt, die nach der Prognose des Machine Learning-Modells ein geringeres Risiko aufweisen.
  3. Nun wird das Risiko jedes einzelnen Kreditnehmers mit dem Risiko der synthetischen Person verglichen. Durch diesen Vergleich kann die Bank erkennen, ob ein Kreditnehmer ein höheres oder geringeres Risiko darstellt als die synthetische Person und entsprechend handeln.
 
Praxis-Beispiel

Synthetic Control bei einer Bank

Angenommen, eine Bank hat 10 Kreditnehmer, die sie auf ihr Risiko hin analysieren möchte. Die Bank hat Daten über die Bonität, das Einkommen und die Kreditgeschichte der Kreditnehmer gesammelt und diese in ein Machine Learning-Modell eingespeist, das eine Prognose darüber erstellt, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kreditnehmer den Kredit nicht zurückzahlen wird. Das Modell gibt folgende Prognosen ab:

  • Kreditnehmer 1: 10 % Risiko
  • Kreditnehmer 2: 20 % Risiko
  • Kreditnehmer 3: 30 % Risiko
  • Kreditnehmer 4: 40 % Risiko
  • Kreditnehmer 5: 50 % Risiko
  • Kreditnehmer 6: 60 % Risiko
  • Kreditnehmer 7: 70 % Risiko
  • Kreditnehmer 8: 80 % Risiko
  • Kreditnehmer 9: 90 % Risiko
  • Kreditnehmer 10: 100 % Risiko

Nun möchte die Bank das Risiko jedes einzelnen Kreditnehmers mit dem Risiko einer synthetischen Person vergleichen. Dazu wird die synthetische Person aus den Kreditnehmern 1, 3 und 5 zusammengesetzt, da diese dem typischen Risikoprofil entsprechen, das die Bank bereit ist einzugehen. Das Risiko der synthetischen Person beträgt somit 30 %.

Die Bank kann nun die Risiken der einzelnen Kreditnehmer mit dem Risiko der synthetischen Person vergleichen und entsprechend handeln. Beispielsweise könnte sie den Kreditnehmern 1 und 2 bessere Konditionen anbieten, da das Risiko dieser Kreditnehmer geringer ist als das Risiko der synthetischen Person. Bei den Kreditnehmern 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 könnte sie dagegen höhere Zinsen verlangen oder den Kredit ganz verweigern, da das Risiko dieser Kreditnehmer höher ist als das Risiko der synthetischen Person. Für Kreditnehmer 3, der das gleiche Risikoprofil wie die synthetische Person aufweist, könnte die Bank den Referenzzinssatz ohne Bonus oder Malus anwenden.

Dieses vereinfachte Beispiel zeigt, wie Synthetic Control im Risiko-Controlling eingesetzt werden kann und wie es dazu beitragen kann, das Risiko...

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