2.1 Definition

Der Rückforderungsanspruch des Finanzamts (bzw. der Familienkasse beim Kindergeld) setzt nach § 37 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO voraus, dass eine Steuererstattung oder Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt wurde oder der rechtliche Grund später weggefallen ist. Es gelten also die gleichen Voraussetzungen wie hinsichtlich des Erstattungsanspruchs des Steuerpflichtigen.

 
Praxis-Beispiel

Zahlung ohne Rechtsgrund

An einen Nichtberechtigten zahlt die Familienkasse versehentlich Kindergeld aus, ohne dass ein Bescheid ergangen ist. Für die Zahlung fehlt es von vornherein an einem Rechtsgrund. Das Kindergeld ist ohne Weiteres zurückzufordern.[1]

 
Praxis-Beispiel

Wegfall des Rechtsgrunds

Ein Kindergeldberechtigter hat für ein Kind Kindergeld erhalten, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Nachdem die Familienkasse davon Kenntnis erlangt hat, ist der entsprechende Bescheid zu ändern, sodass der rechtliche Grund für die Vergütung nachträglich wegfällt und das Kindergeld zurückzufordern ist.

Will das Finanzamt eine auf einem wirksamen Steuerbescheid oder Steuervergütungsbescheid beruhende Zahlung vom Steuerpflichtigen zurückfordern, ist dies nur möglich, wenn die Bestandskraft des Bescheids durchbrochen, dieser also nach seiner wirksamen Bekanntgabe noch korrigiert werden kann. Ist dies der Fall, kann der Rückforderungsanspruch nach Erlass des Korrekturbescheids im Erhebungsverfahren nach den Regeln der §§ 218ff. AO durchgesetzt werden.

Will sich der Steuerpflichtige gegen die Rückforderung wehren, muss er Einspruch einlegen, und zwar gegen den Korrekturbescheid; es sei denn, er macht geltend, zwar den ursprünglichen Bescheid, nicht aber das Geld erhalten zu haben. Der Streit ist dann auf der Ebene des Erhebungsverfahrens auszufechten.[2]

Liegt dem Rückforderungsanspruch des Finanzamts hingegen eine Zahlung aufgrund eines unwirksamen (nichtigen) Bescheids, eine Über- bzw. Doppelzahlung oder eine fehlgeleitete Zahlung zugrunde, erfolgt die Durchsetzung des Anspruchs unmittelbar auf der Ebene des Erhebungsverfahrens, und zwar durch einen Rückforderungsbescheid analog § 218 Abs. 2 AO.

Der richtige Rechtsbehelf gegen den Rückforderungsbescheid ist der Einspruch.

2.2 Schuldner der Rückforderung

Hauptstreitpunkt in der Praxis ist vielfach die Frage, gegen wen sich der Rückforderungsanspruch richtet. Dies gilt insbesondere bei sog. Dreiecksverhältnissen, d. h. in Fällen, bei denen mehrere Personen in den – den Rückforderungsanspruch auslösenden – Zahlungsvorgang eingeschaltet waren.

Der Anspruch des Fiskus richtet sich gegen den Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 AO, also gegen den, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird. Dies ist i. d. R. derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde ihre – vermeintliche oder tatsächlich bestehende – abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will[1], also der materiell ­Berechtigte. Im selben Verhältnis entfällt ein Rückzahlungsbetrag auf jeden der Ehegatten, wenn der Rechtsgrund für die Erstattung später wegfällt.[2]

Nicht immer sind aber materiell Berechtigter und Leistungsempfänger identisch. Zahlt der Fiskus einen Erstattungs- oder Vergütungsbetrag versehentlich, also ohne dass der Berechtigte ihn entsprechend angewiesen hat, nicht dem Berechtigten, sondern einem Dritten aus, besteht der Rückforderungsanspruch nur gegen den Dritten. Der Berechtigte hat mit diesem Anspruchsverhältnis sozusagen nichts zu tun und kann vom Finanzamt weiterhin die Auszahlung an sich verlangen.[3]

Anders verhält es sich, wenn die Auszahlung an den Dritten auf das Verhalten des Berechtigten zurückzuführen ist und der Dritte nur als Zahlstelle fungiert. Ein Dritter ist demnach, obgleich tatsächlicher Empfänger einer Zahlung, insbesondere dann nicht Leistungsempfänger, wenn das Finanzamt aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigten an ihn eine Steuererstattung oder Vergütung auszahlt. Denn in einem solchen Fall will das Finanzamt erkennbar nicht mit befreiender Wirkung zugunsten des Dritten leisten, sondern es erbringt seine Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem steuerlichen Rechtsinhaber zu erfüllen. Mithin ist nicht der durch die Anweisung des Rechtsinhabers begünstigte Zahlungsempfänger (Dritte), sondern der nach materiellem Steuerrecht (vermeintlich) Erstattungsberechtigte als Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 AO und damit als Rückforderungsschuldner anzusehen.[4]

 
Praxis-Beispiel

Rückforderung von Kindergeld bei Auszahlung an das Kind

Zahlt die Familienkasse Kindergeld rechtsgrundlos an das Kind auf Anweisung des Kindergeldberechtigten aus, ist nur der Kindergeldberechtigte Rückforderungsschuldner. Die Erfüllungszuständigkeit für erhaltenes Kindergeld ändert sich von der Person des Kindergeldberechtigten auf einen Dritten erst nach einer Entscheidung über eine Auszahlung nach § 74 EStG. D...

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