Leitsatz

1. Der bis zum 30.06.2016 für die Gewährung der Vollverschonung von Betriebsvermögen maßge­bende Anteil des Verwaltungsvermögens ist auch bei mehreren gleichzeitig übertragenen wirtschaftlichen Einheiten für jede Einheit gesondert zu ermitteln.

2. Bei einer einheitlichen Schenkung von mehreren wirtschaftlichen Einheiten kann die Erklärung zur optionalen Vollverschonung für jede wirtschaftliche Einheit gesondert abgegeben werden.

3. Wurde die Erklärung zur optionalen Vollverschonung für eine wirtschaftliche Einheit abgegeben, die die Anforderungen an die Vollverschonung nicht erfüllt, ist für diese wirtschaftliche Einheit auch nicht die Regelverschonung zu gewähren.

 

Normenkette

§ 13a Abs. 1 Satz 1, Abs. 8, § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 1 bis 4, Abs. 4 ErbStG a.F., § 133, § 157 BGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin erhielt von ihrer Mutter am 31.12.2010 schenkweise Beteiligungen an vier KGs übertragen (KG1, KG2, KG3 und KG4). Das für die Bewertung zuständige FA stellte die Werte der Anteile am Betriebsvermögen für Zwecke der SchSt sowie die Verwaltungsvermögensquoten gesondert fest. Für den KG2-Anteil wurde eine Verwaltungsvermögensquote von 13,74 % mitgeteilt. Für alle KG-Anteile zusammen lag die Quote unter 10 %.

Das beklagte FA gewährte bei der Festsetzung der SchSt für alle erworbenen KG-Beteiligungen die Regelverschonung des § 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 4 ErbStG a.F. i.H.v.85 %.

Im Einspruchsverfahren erklärte die Klägerin unwiderruflich, dass für den gesamten Erwerb des begünstigten Vermögens die Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. (Vollverschonung) in Anspruch genommen werde. Das FA gewährte daraufhin für die übertragenen Anteile an den KG1, KG3 und KG4 die Vollverschonung und für den Anteil an der KG2 weder die Regel- noch die Vollverschonung. Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Münster, Urteil vom 10.9.2020, 3 K 2317/19 Erb, Haufe-Index 14187920, EFG 2020, 1713).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück. Das FG habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass für den Anteil der KG2 weder die Voll- noch die Regelverschonung zu gewähren sei. Die Erklärung der Klägerin im Einspruchsverfahren sei dahin gehend auszulegen, dass sie auch für den Erwerb der Anteile der KG2 die Vollverschonung unwiderruflich erklärt habe. Die Vollverschonung könne insoweit nicht gewährt ­werden, da die Verwaltungsvermögensquote des KG2-Anteils über 10 % liege und somit die Anforderung des § 13a Abs. 8 Nr. 3 i.V.m. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. nicht erfüllt seien. Der "Rückfall" zur Regelverschonung sei nach der unwiderruflichen Erklärung zur optionalen Vollverschonung nicht möglich.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit verschiedenen Fragen der Gewährung der Vollverschonung von Betriebsvermögen.

1. Für den Erwerb von Betriebsvermögen sieht § 13a i.V.m. § 13b ErbStG in der bis zum 30.6.2016 anwendbaren Fassung (ErbStG a.F.) unter bestimmten Voraussetzungen Steuerbefreiungen vor.

a) Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 ErbStG a.F. bleibt vorbehaltlich des § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. unter verschiedenen Voraussetzungen u.a. der Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG zu 85 % außer Ansatz (Verschonungsabschlag). Eine solche Gesellschaft ist auch die KG. Ausgenommen von der Steuerbefreiung bleibt Betriebsvermögen, wenn es zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F.). Die Bestimmung des Verwaltungsvermögens sowie dessen Anteil am gemeinen Wert des Betriebs richtet sich nach § 13b Abs. 2 Sätze 2 bis 4 ErbStG a.F.

b) Nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. kann der Erwerber unwiderruflich erklären, dass die Steuerbefreiung nach den Abs. 1 bis 7 i.V.m. § 13b ErbStG a.F. nach Maßgabe der Bestimmungen in den nachfolgenden Ziffern gewährt wird. U. a. tritt nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG a.F. an die Stelle des Prozentsatzes für das Verwaltungsvermögen von 50 % in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. ein Prozentsatz von 10 %, nach § 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG a.F. an die Stelle des Prozentsatzes für die Begünstigung von 85 % in § 13b Abs. 4 ErbStG a.F. ein Prozentsatz von 100 % (Vollverschonung).

2. Der relevante Anteil des Verwaltungsvermögens ist in Bezug auf jede übertragene wirtschaftliche Einheit und damit für jeden übertragenen Anteil an einer Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStGgesondert zu ermitteln. Das gilt sowohl für die Regelverschonung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 1, 2 und 4 ErbStG a.F. als auch für die über § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. eröffnete Vollverschonung.

a) Nach dem System der Steuerbegünstigung i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG a.F. ist jeder übertragene Betrieb einzeln zu betrachten. Eine zusammenfassende Betrachtung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten ist im Gesetz nicht angelegt. Dies gilt etwa für die Regelungen des § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 4 ErbStG a.F. zur Bestimmung der Zahl der Beschäftigten und zur Einhaltung der Lohnsumme. Insbesondere aber die Behaltensfri...

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