Nach der BFH-Rechtsprechung stellte § 14 Abs. 2 ErbStG keine Änderungsvorschrift dar, sondern sei nach dem klaren Wortlaut lediglich eine Regelung zur Bestimmung der Festsetzungsfrist für den späteren Erwerb.

Daraus folgte, dass nach bisherigem Recht eine Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb keine Wirkung auf die Steuerfestsetzung für den Nacherwerb hat. Vielmehr ist die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung für den späteren Erwerb erfüllt sind, grundsätzlich eigenständig zu prüfen. Je nach Ergebnis konnten sich hieraus steuerliche Auswirkungen zuungunsten und zugunsten des Steuerpflichtigen ergeben.

 
Praxis-Beispiel

Rückwirkende Änderung (angelehnt an Gesetzesbegründung)

Der Vater V schenkt seinem Sohn S am 1.2.2021 ein Wertpapierdepot im Wert von von 450.000 EURo. Am 30.12.2023 verstirbt V und hinterlässt dem Sohn S, den er zum Alleinerben eingesetzt hat, einen Nachlass im Wert von 400.000 EUR.

Nachdem S die entsprechenden Steuererklärungen abgegeben hat, nimmt das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt mit Bescheiden vom 13.1.2021 die folgenden Steuerfestsetzungen vor:

 
  Schenkung Erwerb von Todes wegen
Bereicherung 450.000 EUR 400.000 EUR
+ Vermögen aus Vorerwerben   450.000 EUR
./. persönlicher Freibetrag ./. 400.000 EUR ./. 400.000 EUR
= steuerpflichtiger Erwerb 50.000 EUR 450.000 EUR
x Steuersatz 7 % 15 %
= tarifliche Steuer 3.500 EUR 67.500 EUR
-Steuer auf den Vorerwerb ./. 0 EUR ./. 3.500 EUR
= festzusetzende Steuer 3.500 EUR 64.000 EUR

a) Einspruch gegen den Schenkungsteuerbescheid

Nunmehr legt S am 31.1.2021 Einspruch gegen den Schenkungsteuerbescheid ein und macht geltend, dass bei der Steuerfestsetzung die von ihm im Rahmen der Zuwendung übernommene Gegenleistung von 100.000 Euro zu Unrecht nicht berücksichtigt wurde.

b) Erbschaftsteuerbescheid

Gegen den Erbschaftsteuerbescheid legt S hingegen keinen Einspruch ein. Dieser erwächst damit in Bestandskraft.

c) Änderung des Schenklungsteuerbescheides

Mit geändertem Schenkungsteuerbescheid vom 28.3.2021 hilft das Finanzamt dem Einspruch gegen den Schenkungsteuerbescheid ab. Dabei setzt es die folgende Steuer fest:

 
  Schenkung
Bereicherung (450.000 EUR ./. 100.000 EUR) 350.000 EUR
+ Vermögen aus Vorerwerben ./. 0 EUR
./. persönlicher Freibetrag ./. 400.000 EUR
= steuerpflichtiger Erwerb 0 EUR
= tarifliche Steuer 0 EUR
-Steuer auf den Vorerwerb 0 EUR
= festzusetzende Steuer 0 EUR

d) Keine Änderung des Erbschaftsteuerbescheids

Wegen der Bestandskraft des Erbschaftsteuerbescheids kann dieser nicht mehr geändert werden.

e) Bei Änderungsmöglichkeit des Erbschaftsteuerbescheids

Wäre eine Änderung möglich, würde sich folgende Erbschaftsteuer ergeben:

 
  Erwerb von Todes wegen
Bereicherung 400.000 EUR
+ Vermögen aus Vorerwerben ./. 350.000 EUR
./. persönlicher Freibetrag ./. 400.000 EUR
= steuerpflichtiger Erwerb 350.000 EUR
x Steuersatz 15 %  
= tarifliche Steuer 52.500 EUR
-Steuer auf den Vorerwerb 0 EUR
= festzusetzende Steuer 52.500 EUR

Ein Vergleich zeigt, dass aufgrund der fehlenden Korrekturmöglichkeit des Erbschaftsteuerbescheids sich für S eine um 11.500 EUR zu hohe Steuer ergibt.

Aufgrund der Änderungen durch das Jahressteuergesetz (siehe nachfolgend) liegt nun eine entsprechende Korrekturmöglichkeit vor, so dass sich die unter e) angeführte Lösung ergibt.

Ab Inkraftreten des Jahressteuergesetzes 2020 am 22.12.2020 gilt nach dem geänderten § 14 Abs. 2 ErbStG Folgendes:[1]

Führt der Eintritt eines Ereignisses mit Wirkung für die Vergangenheit zu einer Veränderung des Werts eines früheren, in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 ErbStG einzubeziehenden Erwerbs, gilt dies auch für den späteren Erwerb als Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; so genanntes steuerlich rückwirkendes Ereignis.

Für den späteren Erwerb gelten auch der erstmalige Erlass, die Änderung und die Aufhebung eines Steuerbescheids für einen früheren, in die Zusammenrechnung einzubeziehenden Erwerb als rückwirkendes Ereignis. Dasselbe gilt auch, soweit eine Änderung der Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb lediglich zu einer geänderten anrechenbaren Steuer führt.

 
Praxis-Beispiel

Änderung als rückwirkendes Ereignis für den Nacherwerb

Schenker S wendet am 1.2.2021 seiner Nichte N ein unbebautes Grundstück zu. Das Grundstück hat dabei einen Steuerwert i. H. v. 45.000 EUR. Im Januar 2024 macht der S seiner Nichte N eine Geldschenkung i. H. v. 67.500 EUR.

Lösung

a) 1. Erwerb im Februar 2021 (Vorerwerb)

Es liegt eine Schenkung unter Lebenden vor, die Nichte N gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer zu unterwerfen hat. Für N ist hierbei die Steuerklasse II anzuwenden (§ 15 Abs. 1 Steuerklasse II Nr. 3 ErbStG).

Damit ergibt sich für Nichte N die folgende Berechnung der Schenkungsteuer:

 
Bereicherung (Steuerwert unbebautes Grundstück) 45.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag ./. 20.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) 25.000 EUR
Schenkungsteuer (Steuersatz 15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 3.750 E...

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