Zusammenfassung

Elektronische Dienstleistungen an Privatpersonen sind regelmäßig am Wohnsitz des Empfängers zu versteuern. Befindet sich der Wohnsitz des Kunden in einem anderen EU-Staat, muss der Unternehmer entsprechend mit der Umsatzsteuer des betreffenden Mitgliedstaates kalkulieren, wobei die Steuersätze in der EU erheblich differieren. Folglich ist es für Unternehmen von erheblicher Bedeutung, bestimmen zu können, ob sie elektronische Dienstleistungen erbringen und wo der entsprechende Leistungsort ist.

1 Problematik

Das Angebot auf elektronischem Wege erbrachter Dienstleistungen hat nicht zuletzt durch eine erhöhte Akzeptanz und die digitale Disruption in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Dabei geht es nicht mehr nur um Software, sei es in Form von Apps oder Computerspielen. Anbieter wie Spotify, Apple, Netflix oder Amazon haben die Musik- und Videobranche revolutioniert. Der moderne, private Konsum von digitalen Inhalten über das Internet hat massiv zugenommen und den ursprünglichen Verkauf von Audio- und Videoinhalten auf Datenträgern zu einem Nischenmarkt werden lassen. Das Gleiche gilt für die moderne Art der Kommunikation – nicht zuletzt die Jahre der Corona-Pandemie haben die Vorteile von Videotelefonie und sonstiger Fernkommunikation aufgezeigt. Im Falle "elektronisch erbrachter Dienstleistungen" an Privatpersonen ergeben sich aus Sicht der Umsatzsteuer besondere Ortsbestimmungen und in der Folge vielfach Deklarationspflichten außerhalb des Ansässigkeitsstaats.

Entsprechend ist es wichtig, mögliche Problemfelder frühzeitig zu erkennen und Abgrenzungsfragen zu lösen. Solche ergeben sich mit zunehmender Fortentwicklung der Digitalisierung z. B. auch bei Lern- oder Seminarplattformen, wobei hier genau zu differenzieren ist, ob tatsächlich eine weitgehend automatisierte, elektronische Dienstleistung erbracht wird (z. B. Streaming von Lernvideos) oder nur das Angebot auf elektronischem Wege erfolgt bzw. ein elektronisches Netz als Kommunikationsmittel dient (Fortbildung mittels Videokonferenz-Tool).

Die Leistungsortbestimmung ist des Weiteren insbesondere für die Steuersatzfindung und in der Folge die Preiskalkulation des Unternehmers entscheidend.

2 Gestaltungsempfehlungen

2.1 Der Begriff der "elektronisch erbrachten Dienstleistung"

Der Begriff der "elektronisch erbrachten Dienstleistung" im umsatzsteuerlichen Sinne ist folgendermaßen definiert: Es handelt sich um "Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre."[1] Entscheidend für die Einordnung ist damit die im Wesentlichen vollautomatische Erbringung der Leistung durch den Unternehmer. In Fällen des Audio- oder Videostreamings z. B. ruft der Konsument Daten von einem Server des Anbieters ab, wobei der Umfang davon abhängt, ob eine Nutzung online oder offline erfolgen soll. Bei der Bereitstellung von Software in einem "App Store" ruft der Verbraucher ebenfalls lediglich eine Datei zum direkten Download auf sein Endgerät ab. In beiden Fällen der Bereitstellung digitaler Inhalte spielen menschliche Eingriffe jeweils keine ernstzunehmende Rolle.

Beispielhaft sind in Art. 7 Abs. 2 MwStSystRL-DVO folgende Leistungen als elektronische Dienstleistungen aufgeführt:

  • Überlassung digitaler Produkte im Allgemeinen (z. B. Software und Updates/Upgrades)
  • Dienste, die im Internet eine Präsenz zu geschäftlichen oder persönlichen Zwecken vermitteln (z. B. Websites);
  • automatisch generierte Dienstleistungen über das Internet auf Grundlage spezifischer Dateninputs des Dienstleistungsempfängers;
  • Einräumung des Rechts, gegen Entgelt eine Leistung auf einer Website (Marktplatz) zum Kauf anzubieten, wobei die potenziellen Käufer ihr Gebot im Wege eines automatisierten Verfahrens abgeben und die Beteiligten durch eine automatische, computergenerierte E-Mail über das Zustandekommen eines Verkaufs unterrichtet werden;
  • Internet-Service-Pakete, in denen die Telekommunikations-Komponente ein ergänzender oder untergeordneter Bestandteil ist.

Abzugrenzen sind die Fälle der "elektronisch erbrachten Dienstleistung" insbesondere von den Fällen, in denen das Internet lediglich als Kommunikationsmittel dient, um die (menschliche) Leistung zu erbringen oder den Vertrag mit den Verbrauchern zustande kommen zu lassen.

 
Praxis-Beispiel

Abgrenzung

Ein Rechtsanwalt berät seinen Mandanten per E-Mail und im Rahmen einer Videokonferenz.

Es liegt keine elektronisch erbrachte Dienstleistung vor.[2] Der wesentliche Inhalt der Leistung des Rechtsanwalts (Rechtsberatung) wird von diesem selbst erbracht. Das Internet dient in diesem Verhältnis lediglich als Kommunikationsmittel.

Das Gleiche gilt für den elektronischen Versand (z. B. als pdf) eines Rechtsgutachtens.

Abwandlung (E-Service): Der Rechtsanwalt entwickelt eine Software, die einfache Rechtsfragen des Mandanten vollautomatisch beantworten kann. Der Anwalt selbst wirkt nicht mehr mit.

In dieser Konstellation liegt eine elektronisch erbr...

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